Einsatzmandate:An der Leine des Parlaments

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Ein Soldat auf der Ladefläche eines CH-53-Hubschraubers. Die Modelle gelten als anfällig und sollen ausgetauscht werden - doch das dauert. (Foto: imago stock&people/imago/Markus Heine)

Seit 2001 hat der Bundestag Jahr um Jahr den Einsatz genehmigt. Doch das letzte Mandat ist besonders.

Von Stefan Kornelius

Per Drucksache 19/32022 hat der Bundestag am Mittwoch ein Kapitel Parlamentspolitik und deutscher Militärgeschichte geschlossen. Der "Einsatz deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan" wird auf absehbare Zeit das letzte Mandat sein, dass die Abgeordneten zu Afghanistan beschließen. Dass die Abstimmung nach Beginn der Evakuierung angesetzt werden musste, werten politische Afghanistan-Veteranen fast schon als böse Ironie. Denn nur wenige Themen haben das Parlament in den vergangenen 20 Jahren so sehr aufgewühlt wie die immer wiederkehrende und vor allem fristgerechte Befassung mit dem Mandat.

Begonnen hatte die parlamentarische Afghanistan-Odyssee am 21. Dezember 2001, als der Bundestag der Entsendung der Bundeswehr zur "Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe" zustimmte. Nach den Terroranschlägen und der von Deutschland ausgerichteten Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg war es geradezu zwingend, dass sich auch die Bundesregierung an der Stabilisierung der neuen Regierung in Kabul beteiligen musste.

Tatsächlich beschränkte sich der Einsatz zunächst auf die Hauptstadt. Erst zwei Jahre später wurde die Isaf-Mission auf andere Landesteile ausgeweitet - fein säuberlich getrennt vom UN-Mandat Operation Enduring Freedom (OEF), mit dessen Hilfe die USA zur Terrorbekämpfung in die Welt hinauszogen. Die Isaf-Einsatzgebiete wurden hingegen "Regionale Wiederaufbauteams" genannt, um den zivilen Charakter zu unterstreichen. Es war kein Zufall, dass die Bundeswehr die nördlichen Provinzen des Landes für sich reklamierte. Hier, im Machtbereich der Nordallianz, waren die wieder auferstandenen Taliban am wenigsten aktiv. Der Einsatz war mit dem defensiven Mandat der Bundeswehr noch halbwegs in Einklang zu bringen.

Die rot-grüne und später die schwarz-rote Koalition vermieden in diesen Anfangsjahren krampfhaft, den kriegerischen Charakter des Einsatzes in die Mandate aufzunehmen. Die Mehrheit im Bundestag wäre dafür nie gewiss gewesen. Die Trennung zwischen Isaf- und OEF-Mandat wurde akribisch betrieben. OEF war Anti-Terror-Krieg, Isaf war Brunnenbau. Wie unrealistisch diese Trennung tatsächlich war, wurde spätestens im September 2009 sichtbar, als ein deutscher Kommandeur einen Befehl zum Luftangriff auf einen Tanklastzug gab, der vermeintlich von den Taliban für einen Angriff genutzt wurde. Viele Zivilisten starben.

Eine steile Lernkurve

Zu diesem Zeitpunkt war der Krieg mit den Taliban voll entbrannt, was sich in politischen Streitigkeiten der jeweiligen Koalitionen niederschlug. Vor allem die SPD-Führung hatte ihre liebe Not, die eigenen Abgeordneten vom Einsatz zu überzeugen. Jahr um Jahr, jeweils zur Mandatsverlängerung, wiederholte sich das Schauspiel, dass niemand Krieg sagen wollte, wo doch längst Krieg herrschte.

Zwar war in der Isaf-Kommandostruktur die Trennung der Mandate längst aufgehoben, die Einsatzregeln der deutschen Soldaten zeugten aber von einer anderen politischen Sicht. Groteske Überschneidungen gab es, als das Parlament den Einsatz einer schnellen Eingreiftruppe auch für andere Landesteile, von Tornado-Aufklärungsflugzeugen (bewaffnet oder nicht bewaffnet) oder Awacs-Aufklärern zustimmen musste.

Erst 2014, als das Isaf-Mandat durch die Ausbildungsmission Resolute Support abgelöst wurde, fanden politische und militärische Sprache wieder zueinander. Die Lernkurve für die Bundeswehr war steil. Für das Parlament aber nicht minder.

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