Bundesverfassungsgericht:Konservativer mit Gestaltungswillen

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Der 56 Jahre alte Strafrechtler Henning Radtke hat sich sowohl mit seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als auch während seiner Zeit als Bundesrichter Anerkennung erworben. (Foto: Guido Schiefer)

Er wurde von der CDU nominiert, hat sich durch seine Kompetenz in Wissenschaft und Praxis aber die Anerkennung von allen Seiten erarbeitet: Henning Radtke soll Richter in Karlsruhe werden.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Mehr als zwei Monate musste Michael Eichberger im Bundesverfassungsgericht nachsitzen, aber nun ist ein Nachfolger in Sicht. An diesem Freitag wird der Bundesrat auf Vorschlag der CDU aller Voraussicht nach Henning Radtke zum neuen Verfassungsrichter wählen. Keine riesige Überraschung, der Name war schon vor zwei Jahren im Gespräch. Mit der Kür des 56-jährigen Bundesrichters gelingt es der Union (federführend war der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier), einen klar konservativen Kandidaten nach Karlsruhe zu schicken - aber eben auch einen, der über die Parteigrenzen hinweg höchste Anerkennung genießt.

Der Strafrechtler Radtke bringt jene seltene Mischung aus Wissenschaft und Praxis mit, die ihn für das Amt prädestiniert. Seit 2012 gehört er dem Bundesgerichtshof an, doch schon davor hatte er eine ansehnliche Wissenschaftskarriere absolviert. Seit 1999 lehrte er als Professor für Strafrecht in Saarbrücken, dann in Marburg und in Hannover. Und machte nicht den Eindruck, dass er sich in der Wissenschaft unwohl fühlte - im Gegenteil: Radtke schrieb sich als Autor und Kommentator in die erste Liga der Strafrechtswissenschaft, übernahm Ämter im Hochschulwesen - etwa als Vorsitzender des Juristen-Fakultätstags - und gehört zudem zum erlesenen Kreis der "Ständigen Deputation" des Deutschen Juristentages.

Dass jemand aus dieser Flughöhe noch einmal in die engen Verhältnisse des BGH herabsteigt, darüber haben sich damals manche seiner neuen Kollegen gewundert. Und erwartet, dass er als professoraler Besserwisser daherkommt. Doch offenbar ist die Skepsis rasch verflogen. Radtke, im persönlichen Umgang ein zugewandter Gesprächspartner mit gewinnendem Auftreten, gilt im Arbeitsalltag als ungemein kollegial, teamorientiert, freundlich. Gewiss, er sei ein engagierter Konservativer mit einem gewissen Gestaltungswillen, heißt es - aber eben einer, der stets sachlich argumentiere und ein stupendes Fachwissen mitbringe. Das Professorale spiegele sich nur im Urteilsstil - eher ausführlich und oft grundsätzlich.

Für die Arithmetik im Ersten Senat heißt seine Wahl erst einmal nur, dass ein Konservativer durch einen Konservativen ersetzt wird - wobei sein Vorgänger Eichberger sehr konstruktiv mit zwei auf dem SPD-Ticket gewählten Richtern zusammenarbeitete. Jedenfalls ist die Balance in dem achtköpfigen Gremium gewahrt, die man im Gericht zeitweise in Gefahr sah, weil anfänglich die Grünen das Vorschlagsrecht für den Posten gefordert hatten - womit nur noch zwei echte Konservative im Senat vertreten gewesen wären. Ein wenig kurios ist freilich: Im Ersten Senat sitzen künftig zwei Strafrechtsexperten, neben Radtke ist dies die Ex-BGH-Richterin Yvonne Ott. Die Zuständigkeit fürs Strafrecht hat aber der Zweite Senat - falls nicht irgendwann die Geschäftsverteilung geändert wird.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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