Bundestagswahl:Ist es schon zu spät für die Briefwahl?

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Mit normaler Post sind die Wahlbriefe kaum zu verwechseln: Briefwahlkisten vor der Bundestagswahl 2009 (Foto: ddp)
  • Fast jeder Vierte hat bei der Bundestagswahl 2013 per Brief abgestimmt. Diesmal werden es noch mehr sein.
  • Vom Briefwahl-Boom profitierten zuletzt Union, FDP und Grüne.
  • Wer den Brief noch nicht versendet hat, kann ihn auch persönlich abgeben.
  • Wer fürchtet, seinen Wahlbrief zu spät abgeschickt zu haben, kann trotzdem noch abstimmen.

Ist es schon zu spät für die Briefwahl?

Wer seinen Wahlzettel jetzt erst in den Briefkasten wirft, ist sehr wahrscheinlich zu spät dran. Der Bundeswahlleiter hat empfohlen, den Wahlbrief spätestens am Dienstag abzuschicken. Bei der Bundestagswahl zählen nur die Stimmzettel, die bis Sonntag, 18 Uhr, eingegangen sind. Wer die Briefwahlunterlagen schon versandt hat und nun füchtet, dass sie nicht mehr rechtzeitig ankommen, kann den alten Wahlschein für ungültig erklären lassen und vor Ort wählen. Es ist egal, wie der Wahlzettel ankommt. Briefwähler können ihre Unterlagen auch persönlich abgeben - in einem Wahllokal in ihrem eigenen Wahlkreis.

Welche Probleme kann es bei der Briefwahl geben?

Nicht immer klappt die Zustellung der Wahlunterlagen reibungslos, manchmal braucht die Post länger als erwartet - was dazu führen kann, dass der Stimmzettel nicht rechtzeitig ankommt. In anderen Fällen wurde die Briefwahl zwar beantragt, aber die Unterlagen sind nicht eingegangen. Der Wahlleiter rät in diesem Fall, sich umgehend mit seiner Gemeinde in Verbindung zu setzen; das könnte zeitlich allerdings knapp werden.

Wie sicher ist Briefwahl?

Einen Stimmzettel aus Papier kann auf dem Weg von der Wahlkabine zur Urne niemand ändern oder verschwinden lassen. Das amtliche Endergebnis sei dank der händischen Auszählung absolut verlässlich, sagt Sicherheitsexperte Jörn Müller-Quade vom Karlsruher Institut für Technologie. Aber: "Wir haben ein Problem mit der Briefwahl." Der Wähler wisse nicht einmal, ob seine Stimme überhaupt gezählt wird.

Im Frühjahr wurde die Kommunalwahl im niedersächsischen Quakenbrück wiederholt, weil Unterstützer der Linken und der FDP im Verdacht stehen, Briefwahlunterlagen gestohlen und mit falschen Unterschriften versehen zu haben. In Bielefeld haben 104 Bürger ihre Briefwahl-Unterlagen zur Bundestagswahl doppelt zugeschickt bekommen, Mitarbeiter der Stadt besuchten daraufhin die Betroffenen zuhause, um je einen Stimmzettel zu vernichten. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Stimmzettel in der Post verloren gehen.

Sind die Unterlagen einmal eingetroffen, werden sie bis zum Wahltag unter Verschluss gehalten. Am Sonntag werden sie laut dem Bundeswahlleiter an die Briefwahlvorstände verteilt, die in jedem Bezirk mindestens zu fünft sind und ähnlich wie die Wahlhelfer in den Lokalen arbeiten. Am Wahltag werden sie bereits um 15 Uhr geöffnet - aber nur, um zu prüfen, ob der Schein gültig und der Stimmzettelumschlag ungeöffnet ist. Die verschlossenen Stimmzettelumschläge werden in Urnen geworfen und damit von allen Unterlagen getrennt, auf denen der Name des Wählers steht. Diese Regeln stellen dem Bundeswahlleiter zufolge "sicher, dass das Wahlgeheimnis jederzeit gewährleistet ist". Ab 18 Uhr werden die Stimmzettel ausgezählt.

Wie viele wählen per Brief?

Die Anzahl der Briefwähler bei der Bundestagswahl ist zwischen 1994 und 2013 um fast 70 Prozent gestiegen. Fast jeder Vierte hat bei der Wahl 2013 per Brief abgestimmt. Diesmal werden es voraussichtlich noch mehr sein - ein Rekord für die Briefwahl wird erwartet. Alle Bundesländer verzeichnen einen Anstieg der Nachfrage nach Briefwahl-Unterlagen.

Wo wird der Wahlzettel am häufigsten versendet?

Im Nordrhein-Westfalen melden viele Städte einen Spitzenwert an Briefwahl-Unterlagen. Am stärksten zeigt sich der Trend in Aachen, wo nach Angaben der Kommune fast jeder Dritte bereits gewählt hat. Noch höher ist der Anteil in vielen Großstädten: In München haben mehr als 35 Prozent einen Wahlschein beantragt - ein Plus von fünf Prozentpunkten. In Berlin wurde ein Rekord von 26,4 Prozent erreicht. In Hamburg sind es sogar 29,3 Prozent. Zum gleichen Zeitpunkt vor vier Jahren hatten in der Hansestadt nur 22,5 Prozent ihre Wahlunterlagen bestellt.

Wer schickt seine Stimme, statt ins Wahllokal zu gehen?

Die Briefwahl nutzen wahlberechtigte Auslandsdeutsche, um nicht extra anreisen zu müssen. Sie ermöglicht allen, die in Urlaub sind oder sonntags arbeiten müssen, ihre Stimme abzugeben. Außerdem sind Häftlinge zwar wahlberechtigt, können aber natürlich nicht ohne weiteres am Sonntagmorgen zum Wahllokal schlendern, weshalb sie auf den Fernweg zurückgreifen müssen.

Briefwahl gilt auch als gute Alternative für Kranke und Gebrechliche. Entsprechend hat der Wahlforscher Rüdiger Schmitt-Beck von der Universität Mannheim 2013 festgestellt, dass Briefwähler im Durchschnitt älter sind. Außerdem sind sie eher höher gebildet und leben eher in der Stadt als auf dem Land. Der Politikwissenschaftler sieht in der Entwicklung vor allem "einen Ausdruck der Individualisierung der Gesellschaft". Die Menschen wollten flexibel bleiben und sich nicht einschränken. Die Briefwahl verschaffe den Menschen einen Autonomie-Spielraum. Der Anstieg bei dieser Bundestagswahl könne auch damit zu tun haben, dass die Parteien offensiv um Briefwähler geworben hätten.

Wen wählen Briefwähler?

Der Zweitstimmenanteil der Briefwähler von CDU/CSU, FDP und Grünen lag 2013 leicht über dem der Urnenwähler dieser Parteien. Bei SPD und Linken war es umgekehrt. Der Wahlforscher Schmitt-Beck sagt, eine aktuelle Umfrage seines Teams deute darauf hin, dass die CDU von der Briefwahl profitiere. CDU-Wähler seien häufig aber auch früher entschlossen als SPD-Wähler.

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