Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Zwickauer Terrorzelle:Mit Würde streiten

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Parlamentarische Untersuchungsausschüsse genießen keinen guten Ruf. Zu oft waren sie Ort politischen Tohuwabohus und haben dabei die eigentliche Aufklärung vernachlässigt. Der heute beschlossene Untersuchungsausschuss zu den Neonazi-Morden sollte diese Rituale vermeiden - denn die deutschen Politiker stehen im Wort.

Susanne Höll

Die deutschen Politiker stehen im Wort. Sie wollen aus der jahrelang unentdeckten Mordserie durch eine neonazistische Terrorzelle rasch Konsequenzen ziehen. Alle Bundestagsabgeordneten haben dies zugesagt, in einer raren und deshalb eindrucksvollen gemeinsamen Erklärung Ende November im Reichstag.

Ob und wie ernst es ihnen damit ist, werden sie alsbald in aller Öffentlichkeit unter Beweis stellen können. Dann nämlich, wenn ein Untersuchungsausschuss des Bundestages die offenkundige Serie schwerer Pannen und Versäumnisse von Polizei und Geheimdiensten des Bundes und der Länder durchleuchtet.

Parlamentarische Untersuchungsausschüsse genießen keinen guten Ruf. Gut, es gibt Ausnahmen, etwa jenes Gremium, das seinerzeit den CDU-Spendenskandal sezierte. Aber allzu oft waren die Ausschüsse Ort politischen Tohuwabohus:

Vertreter von Opposition und Regierung unterstellten sich wechselseitig schlimmste Verfehlungen und vernachlässigten dabei die Aufklärung, die sie doch gerade betreiben sollten. Nicht ohne Grund mahnen Politiker von SPD und Union die kleineren Parteien, in dem neuen Ausschuss, bitteschön, kein Spektakel zu veranstalten. Diese Leute wissen, wovon sie reden. Schließlich haben sie oder ihre Fraktionskollegen in der Vergangenheit oft genug spektakelt.

Viele unbequeme Fragen

So bleibt nur zu hoffen, dass alle Seiten diesmal derlei Klein-Klein unterlassen. Auf Streit und heftige Auseinandersetzungen, in der Sache wohlgemerkt, darf und soll dieser Ausschuss aber keinesfalls verzichten, auch wenn das SPD und Union gut passen würde. Sie fürchten, nicht zu Unrecht, dass sie als Hauptverantwortliche des Sicherheitsskandals dastehen werden. Weil sie in der vergangenen Dekade nicht nur die Innenminister in Bund und Ländern, sondern auch Polizei- und Verfassungsschutzchefs stellten oder bestimmten.

Deshalb müssen sie und ihre Protagonisten in den Sicherheitsbehörden Streit ertragen, mitsamt vielen unbequemen Fragen. Etwa die nach der Existenzberechtigung des Verfassungsschutzes. Wer heutzutage dessen Sinn und Zweck bezweifelt, muss kein Spinner sein. Wären die beiden Männer der Zwickauer Terrorzelle nicht zufällig nach einem Bankraub entdeckt worden und noch am Leben, wüssten die Dienste bis heute nichts von der Mörderbande.

Auch um den Einsatz rechtsextremistischer V-Leute muss gestritten werden - und zwar in der Öffentlichkeit eines Ausschusses. Denn nur dann gibt es die Hoffnung, dass der Staat alsbald darauf verzichtet, seine Feinde aus Steuergeldern zu finanzieren.

Das Bekenntnis aller Parteien zum gemeinsamen Kampf gegen Rechtsextremismus ist kein Harmonieversprechen. Mag sein, dass sich Alt- und Neonazis an Konflikten der Demokraten untereinander ergötzen. Diese Freude wird schnell beendet sein. Dann jedenfalls, wenn über seriös geführte Auseinandersetzungen bessere Wege für mehr Sicherheit und den Rechtsstaat gefunden werden.

© SZ vom 14.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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