Bundestag:Merkel: Was haben wir aus der Geschichte gelernt?

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Die Kanzlerin wirbt leidenschaftlich für den UN-Migrationspakt und warnt vor "Nationalismus in reinster Form".

Von Daniel Brössler, Berlin

In einer ungewohnt kämpferischen Rede hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gut zwei Wochen vor ihrem Rückzug als CDU-Vorsitzende für die Prinzipien ihrer Politik geworben. Zwischen einer egoistischen und einer weltoffenen Politik könne es keine Kompromisse geben, sagte sie am Mittwoch in der Generalaussprache des Bundestags. Leidenschaftlich warb sie für den von der AfD und Teilen ihrer eigenen Partei abgelehnten Migrationspakt der Vereinten Nationen. Dieser sei der "richtige Antwortversuch" auf ein globales Problem.

Merkel machte deutlich, dass es ihr dabei nicht nur um den Pakt geht. Wenn man zu denen gehöre, "die glauben, sie können alles alleine lösen und müssen nur an sich denken", dann sei das "Nationalismus in reinster Form", sagte sie. Das aber sei kein Patriotismus, "denn Patriotismus ist, wenn man im deutschen Interesse auch andere miteinbezieht und Win-win-Situationen akzeptiert". Die "bohrende" Frage sei: "Was haben wir aus der Geschichte gelernt und haben wir aus der Geschichte gelernt?" Dabei verwies sie auf die Lehren, die mit dem Aufbau einer multilateralen Ordnung aus dem Zweiten Weltkrieg gezogen worden seien.

So begründete sie auch den Migrationspakt. Es liege im deutschen "nationalen Interesse", dass die Bedingungen auf der Welt für Flucht auf der einen sowie Arbeitsmigration auf der anderen Seite sich verbesserten. Ihr Werben verband Merkel mit kaum verhohlener Kritik an Gesundheitsminister Jens Spahn, der beim Kampf um den CDU-Vorsitz gegen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und den einstigen Fraktionschef Friedrich Merz antritt. "Es wird übrigens nichts unterzeichnet, nichts unterschrieben. Es ist nichts rechtlich bindend", sagte sie. Spahn hatte gefordert, beim CDU-Parteitag über den Pakt abzustimmen und die Unterzeichnung "notfalls zu verschieben". Der Pakt soll am 10. und 11. Dezember in Marrakesch verabschiedet werden; eine Unterzeichnung ist nicht vorgesehen.

FDP-Chef Christian Lindner sprach wegen des Rückzugs Merkels als CDU-Chefin von einer Zäsur. "Wir werden Zeuge des Endes von etwas", sagte er. Lindner, der 2017 die Verhandlungen für eine Koalition mit CDU/CSU und Grünen abgebrochen hatte, hat zuletzt Interesse signalisiert an einem neuen Jamaika-Anlauf für den Fall eines Rückzugs Merkels als Kanzlerin. Im Streit über den Migrationspakt unterstützte Lindner die Linie Merkels. Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verteidigte die Vereinbarung. Migration könne nur international geregelt werden. Der Pakt widme sich Rückführungen, der Lage in den Transitländern und der Verantwortung der Herkunftsländer. Von einer "ausgezeichneten" Rede Merkels sprach der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs. AfD-Chef Alexander Gauland bekräftigte seine Kritik an dem Dokument. Es verschweige die Bevölkerungsexplosion in Afrika als "Hauptfluchtursache". Wer Europa "als Abflussbecken dafür anbietet, wird Europa schwächen und Afrika kein bisschen helfen".

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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