Bundesregierung:Vorwärts mit Trumps Slogan

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Zwei deutsche Frauen am Steuer Europas: Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Deutschland will die im Juli anstehende EU-Ratspräsidentschaft nutzen und "Europa wieder stark machen".

Von Daniel Brössler, Berlin

Mangelnden Respekt vor der Größe der Aufgabe will sich die Bundesregierung nicht nachsagen lassen. "Mit der Corona-Pandemie steht die Europäische Union vor einer schicksalhaften Herausforderung", lautet der erste Satz im vertraulichen Entwurf für das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Deutschland sei "sich seiner Verantwortung für die Europäische Union bewusst". Wohl in Anlehnung an eine Parole von US-Präsident Donald Trump wird als Slogan der Präsidentschaft verkündet: "Gemeinsam. Europa wieder stark machen."

Bevor sich die Bundesregierung europaweit an diese Arbeit machen kann, sind allerdings Hürden in Berlin zu überwinden. Am Text wird gefeilt, weshalb das Programm erst am 24. Juni im Kabinett beschlossen werden soll - gerade einmal eine Woche vor Beginn der sechsmonatigen Präsidentschaft. Eine "Unverschämtheit" nennt das die europapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner. Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag eine Regierungserklärung zum EU-Gipfel am Freitag und zur Ratspräsidentschaft abgebe, hätten die Abgeordneten immer noch kein offizielles Programm in der Hand.

Offene Fragen gibt es etwa in der Sozialpolitik. So ist im jüngsten, aber immer noch nicht endgültigen Entwurf eine Passage zur europäischen Arbeitslosenrückversicherung zwischen den Ministerien strittig. Einigkeit herrscht indes über den von Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron mitangestoßenen Wiederaufbaufonds. Das "zeitlich begrenzte und inhaltlich fokussierte Aufbauinstrument" soll ebenso wie der Finanzrahmen für die kommenden sieben Jahre bis zum Ende der deutschen Präsidentschaft unter Dach und Fach sein, "damit die Mittel ab Anfang 2021 bereitstehen".

Das Verhältnis zu China war schon vor der Pandemie als Schwerpunkt gesetzt

Deutschland stellt sich dabei auf deutlich höhere Beiträge ein. Es sei allerdings "zu früh, jetzt konkrete Zahlen in den Raum zu stellen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Die Staats- und Regierungschefs hätten an diesem Freitag einen "ersten Austausch" über den Aufbaufonds und den nächsten Finanzrahmen. Die Welt hatte unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des FDP berichtet, Deutschland rechne auf Grundlage der Vorschläge der EU-Kommission damit, jährlich 42 Prozent mehr in den EU-Haushalt einzuzahlen als bisher.

Als Konsequenz aus der Pandemie soll nach dem Willen der Bundesregierung nicht nur die Wirtschaft angekurbelt werden. Verbessert werden müsse das EU-Krisenmanagement, aber auch die Versorgung mit wichtigen Gütern im Krisenfall, heißt es im Programmentwurf. "Im Sinne europäischer Souveränität" solle insbesondere in strategischen Bereichen die industrielle Produktion in Europa gestärkt werden. "Im Gesundheitsbereich werden wir daher während unserer Ratspräsidentschaft Handlungsansätze diskutieren, wie die Versorgung mit Arzneimitteln, Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung weiter verbessert werden kann", heißt es. Vereinbart werden müssten konkrete Maßnahmen für eine größere Autonomie der EU "in der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung". Hier war eine zu starke Abhängigkeit von China und Indien beklagt worden.

Das Verhältnis zu China war schon vor der Pandemie als einer der Schwerpunkte der deutschen Ratspräsidentschaft vorgesehen gewesen. Ein ursprünglich für September geplanter EU-China-Gipfel musste allerdings verschoben werden. "Die China-Politik aller EU-Institutionen und Mitgliedstaaten soll geschlossen und ausgewogen sein und sich an den langfristigen gemeinsamen EU-Interessen und Werten ausrichten", heißt es im Entwurf. Die Kooperation mit China solle ausgebaut werden. In allen Politikbereichen wolle man sich aber auch "für mehr Reziprozität" einsetzen.

Das sei "zugleich entlarvend und vage", kritisierte die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Gyde Jensen (FDP). Die Bundesregierung erkenne offensichtlich "ein gewisses Ungleichgewicht". Gleichzeitig stehe "mehr Reziprozität für alles und nichts". Die grüne Europapolitikerin Brantner kritisierte den Entwurf als insgesamt zu vage. "Es ist mehr eine Prozessbeschreibung als ein Programm", sagte sie.

[AUTOR_ENDE]Daniel Brössler[/AUTOR_ENDE]

© SZ vom 16.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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