Bundespräsident zur Sexismus-Debatte:"Auch in unserer Gesellschaft gibt es Sexismus"

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Anlässlich des Weltfrauentages hat Bundespräsident Gauck 33 Frauen das Bundesverdienstkreuz verliehen - hier Jutta Brinkmann aus der Lutherstadt Wittenberg. (Foto: dpa)

Alles nur "Tugendfuror"? Bundespräsident Gauck brachte mit missverständlichen Aussagen zu Diskriminierung und Sexismus Feministinnen gegen sich auf. Nun antwortet Gauck.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Bundespräsident Joachim Gauck hält eine Debatte über Sexismus in der Gesellschaft für notwendig. Bei der Verleihung des Verdienstordens an 33 Bürgerinnen anlässlich des Weltfrauentags am 8. März sagte Gauck am Donnerstag: "Auch in unserer Gesellschaft, die uns allen so entwickelt und reif erscheint, gibt es noch Benachteiligung, auch Diskriminierung und alltäglichen Sexismus." Darüber sollte von Frauen und Männern gleichermaßen eine engagierte Debatte geführt werden. So könnten Missstände benannt und aufgedeckt werden, sagte Gauck.

Der Bundespräsident reagiert damit auf Vorwürfe, in der Sexismus-Debatte falsche Signale gegeben zu haben. In einem Interview mit dem Spiegel war er gefragt worden, ob er den Umgang mit FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle wegen dessen als sexistisch bewerteten Äußerungen als unfair empfunden habe.

Offener Brief nach "Tugendfuror"

Darauf sagte er: "Wenn so ein Tugendfuror herrscht, bin ich weniger moralisch, als man es von mir als ehemaligem Pfarrer vielleicht erwarten würde." Eine Gruppe von Netzaktivistinnen hatte Gauck daraufhin in einem offenen Brief auf der Internetseite alltagssexismus.de vorgeworfen, die Debatte zu bagatellisieren. Zu den Unterzeichnerinnen gehört auch Anne Wizorek, die Ende Januar die "Aufschrei-Aktion" auf Twitter initiiert hatte, bei der Betroffene ihre Erfahrungen mit Sexismus schildern.

In dem Brief forderten sie Gauck dazu auf, mit Frauen in seinem Umfeld zu reden und auf Twitter die Geschichten zu lesen, die unter #Aufschrei beschrieben werden. "Lesen Sie, hören Sie zu und sagen Sie dann noch einmal, es handele sich hier lediglich um einen nicht ernst zu nehmenden 'Tugendfuror'."

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles meldete sich am Donnerstag mit kritischen Tönen zu Wort. Viele Frauen, gerade jüngere, könnten Gaucks Bemerkung nicht nachvollziehen: "Ich glaube, dass es da eine Diskrepanz gibt, die lebensbiografisch begründet ist." Nahles will Gauck nun einen Brief schreiben und ihn zu einer Diskussion mit weiblichen SPD-Mitgliedern der Internetplatform femnet.de einladen.

© SZ vom 08.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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