Bundespräsident:Lausitz zeigt, wie sich Region im Wandel neu erfindet

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt an der Stadtverordnetenversammlung von Senftenberg teil. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Ein musikalisches Ständchen von Schülern und ein Bundespräsident, der Vorträge zu Mikroalgen als Nahrungsmittel und Medikamentenforschung bekommt: Auch der letzte Tag in der Lausitz war für Staatsoberhaupt Steinmeier prall gefühlt. Was nimmt der Bundespräsident mit?

Von Silke Nauschütz, dpa

Senftenberg (dpa/bb) - „Freude schöner Götterfunken“ von einem Schüler-Orchester für den Bundespräsidenten gespielt, aufgeregte Kinder an der Regenbogen-Grundschule und ein Besuch beim akademischen Nachwuchs an der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg: Mit Bildung und Wissenschaft ist der dritte und letzte Tag des Aufenthaltes von Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier in Senftenberg zu Ende gegangen. Der Bundespräsident sprach von drei „intensiven“ Tagen in der Lausitz mit vielen Gesprächen zu unterschiedlichsten Themen.

Steinmeier hatte seit Dienstag seinen Amtssitz nach Senftenberg in die Lausitz verlegt. In der Umgebung wurde der Braunkohletagebau bereits vor Jahrzehnten beendet. Alte Tagebaue wurden geflutet und zu einer Seenlandschaft umgebaut. Nun trägt der Tourismus zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei.

Der Bundespräsident traf sich unter anderem mit regionalen Unternehmern, an einer Kaffeetafel diskutierte er kontrovers mit Vertretern der Stadtgesellschaft über den Ukraine-Krieg, die Herausforderungen der Integration von Geflüchteten und den Fachkräftemangel. Besonders berührt zeigte er sich vom Besuch eines Theaterstücks in der Neuen Bühne Senftenberg. Aufgeführt wurde „Was man im Dunkeln hört“, ein ukrainisches Stück, das von den Schrecken des Krieges handelt.

Im Osten Deutschlands werde viel häufiger nach der Ukraine gefragt als im Westen, berichtete der Bundespräsident. Am Dienstag hatten ihn Demonstranten in Senftenberg als „Kriegstreiber“ beschimpft. Es blieb über die gesamten drei Tage dennoch friedlich. Die Mehrheit der Bürger empfing Steinmeier freundlich, viele wollten ein Foto mit ihm.

Der Bundespräsident sieht Senftenberg als Beispiel, wie sich eine Stadt im Wandel neu erfinden kann. „Hier in Senftenberg kann man etwas zeigen, was andere Städte und Gemeinden noch vor sich haben“, zeigte sich Steinmeier überzeugt. Er stellte nach seinen Gesprächen fest, überall würden Bürger mit großem Einsatz und Engagement mit den Herausforderungen umgehen und Kontroversen aushalten.

Beim Besuch der größten Grundschule der Stadt informierte sich Steinmeier über die Integrationsarbeit an der Einrichtung, an der derzeit 425 Kinder lernen. Mit einem neuen Anbau soll sie einmal 540 Kinder beherbergen - eine Herausforderung für Lehrkräfte und die eine Sozialarbeiterin, wie Schulleiterin Regina Jänke schilderte. Auch viele ukrainische Kinder würden unterrichtet, bei denen die Sprachkenntnisse oftmals noch nicht ausreichten. Die Schule kämpfe mit einem Mangel an Lehrkräften und gleichzeitig hohem Krankenstand. Künftig will die Einrichtung auch Praktikanten aufnehmen und hofft mit der kommenden Lehrerausbildung in der Stadt auf Synergieeffekte.

In wenigen Monaten beginnen in Senftenberg in der Lausitz die ersten Lehramtsstudierenden für die Fächer Deutsch und Mathematik ihre Grundschullehrerausbildung. Damit wird neben der Universität Potsdam ein zweiter Ausbildungsstandort geschaffen. Geplant ist laut Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) zunächst der Start von mindestens 50 Studierenden. Bei Bedarf sollen mehr Kapazitäten geschaffen werden. Im neu gegründeten Institut für Erziehungswissenschaft an der Uni sind insgesamt zehn Professuren geplant. In den kommenden Jahren soll der Studiengang auf die Fächer Englisch, Kunst, Musik, Sachunterricht und Sport erweitert werden.

Von der Größe des Unicampus konnte sich das Staatsoberhaupt dann selbst überzeugen. Zahlreiche ausländische Studierende wollten Selfies mit Steinmeier. Rund 40 Prozent der 6800 BTU-Studierenden kommen aus dem Ausland, vor allem aus Indien, Iran und der Ukraine. Insgesamt 125 Nationen studieren an der Uni. Steinmeier traf sich mit Uni-Präsidentin Gesine Grande, Forschenden und Unternehmen, die eng mit der Uni zusammenarbeiten, darunter der Chemiekonzern BASF, der die Uni als „Fachkräftenachwuchslieferant“ betrachtet. Partner sind auch das Energie-Unternehmen Enertrag und das Fraunhofer-Institut.

Der Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastruktur und Geothermie IEG, Mario Ragwitz, berichtete Steinmeier über seine Forschungsarbeit. Er und sein Team haben den Wasserstoffplan für Ostdeutschland entworfen. Gemeinsam mit den Technischen Universitäten Cottbus-Senftenberg und Dresden entwickeln sie unter anderem ein Wasserstoff-Speicherkraftwerk. Mit dem Projekt sollen Technologien der Energieversorgung mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff als Speicher erprobt werden.

Die Herausforderung sei, die gesamte Forschung in der Lausitz zu betreiben, sagte Ragwitz. Ein Drittel der Wissenschaftler sei von der BTU, ein Drittel Rückkehrer, ein Drittel pendle noch aus anderen Städten in die Lausitz.

Steinmeier erhielt bei einem Rundgang auch Informationen über Forschung und Anzucht von Mikroalgen zur Produktion von Biomasse als Lebensmittel und die Entwicklung neuer Arzneimittel gegen Krebs. Auch bekam er Einblick in die Erforschung von Verfahren zur Rückgewinnung und dem Wiedereinsatz von Batteriematerialien. Sein Fazit: Die Uni sei mit ihren Innovationen für die Region eine große Chance.

© dpa-infocom, dpa:230510-99-641139/4

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