FDP-Bundesparteitag:Christian Lindner mit 79 Prozent zum Parteichef gewählt

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Der neue FDP-Vorsitzende Christian Lindner (Foto: dpa)

Wer soll die FDP aus der Krise holen? Mehr als 79 Prozent der versammelten Delegierten sind der Meinung, dass Christian Lindner dafür der Richtige ist. Dem 34-Jährigen stehen schwere Aufgaben bevor.

Zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl versucht die FDP ihre historische Niederlage aufzuarbeiten. Zum neuen Parteichef haben die mehr als 600 Delegierten auf dem außerordentlichen Parteitag in Berlin wie erwartet Christian Lindner gewählt. "Ich bedanke mich für dieses tolle Votum", sagte der 34-Jährige, der 79 Prozent der Stimmen erhielt und die Partei nun zurück in den Bundestag führen soll. Knapp vier Fünftel der Stimmen gelten als ordentliches und ehrliches Ergebnis, da Lindner zwei Gegenkandidaten - die zusammen auf gut 15 Prozent kamen - und einige Kritiker in verschiedenen Landesverbänden hatte.

In seiner Bewerbungsrede kurz vor der Abstimmung sagte Lindner: "Alte Rechnungen, taktische Stellungsdebatten und Eitelkeiten - sie bedeuten nichts mehr angesichts der Größe der Herausforderungen, vor der wir stehen." Ab sofort müsse gelten: "Greift der politische Gegner einen von uns an, dann bekommt er es mit der gesamten FDP zu tun."

Nach der Abwahl aus dem Bundestag müsse die FDP schnell wieder in die Offensive kommen: "Die Zeit der Trauerarbeit in der FDP ist zu Ende", sagte Lindner. "Ab heute bauen wir vom Fundament auf neu auf." Lindner definierte die FDP als Partei der Marktwirtschaft, der Leistungsgerechtigkeit, der Bürgerrechte und der europapolitischen Vernunft. "Die FDP muss nicht fürchten, bekämpft zu werden, für was wir stehen", sagte Lindner. "Die FDP muss nur fürchten, für nichts zu stehen."

Der neue FDP-Chef warnte seine Partei dringend vor einer Abkehr von proeuropäischen Positionen, wie sie von einem Teil der Partei diskutiert wird. "Würden wir nur einen Zentimeter in Richtung der Eurohasser gehen - wir würden unsere ökonomische Kompetenz verlieren und vor allem unsere Seele." Die Anti-Euro-Partei AfD kritisierte er als "nationalökonomische Bauernfängertruppe".

Linders Bewerbungsrede wurde von den Delegierten mit stehenden Ovationen bedacht. Der 34-Jährige ging als Favorit für die Nachfolge von FDP-Chef Philipp Rösler in die Wahl. Gegen Lindner traten zwei weitgehend unbekannte Kandidaten an.

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Es hätte die Rede seines Lebens werden können. Stattdessen macht Philipp Rösler mit einem nicht mal halbstündigen Vortrag klar, warum er die FDP nicht hat retten können. Und dann brüllt auch noch Brüderle.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Rösler und Brüderle räumen Fehler ein

Zuvor räumte der scheidende Parteichef Philipp Rösler eigene Fehler ein, beklagte aber auch mangelnde Unterstützung von Kollegen aus der Parteiführung. "Ich hätte mich über ein bisschen mehr Unterstützung im ganzen Team gefreut", sagte Rösler in seiner etwa 20-minütigen Rede. Zu oft habe er als FDP-Chef alleine gestanden, ohne dass ein starkes Team ihn unterstützt hätte. Ihm selbst sei es nicht gelungen, aus den unterschiedlichen Charakteren ein Team zu bilden.

Fehler räumte auch der gescheiterte FDP-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl, Rainer Brüderle, ein: Die von ihm initiierte Zweitstimmenkampagne in der letzten Woche vor der Bundestagswahl im September sei falsch gewesen. Der Grundstein für die Niederlage sei aber "viel früher" gelegt worden, sagte Brüderle. Als Beispiele nannte er den Verzicht auf eine Zusammenlegung von Außen- und Entwicklungsministerium, das Fehlschlagen der von der FDP geforderten Steuerreform und unpassende Äußerungen der Führung.

Die Liberalen hatten bei der Wahl im September mit 4,8 Prozent erstmals seit 1949 den Einzug in den Bundestag verpasst. Rösler nannte es bitter, dass die liberale Stimme nicht mehr im Bundestag zu hören sei. Von Union und SPD sei nichts Gutes zu erwarten: "Es ist keine große Koalition für unser Land, sondern eine große Katastrophe."

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