Gaslieferstopp:Bulgarien hat Reserven für einen Monat

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Gas-Verteilstation im polnischen Gustorzyn: Was von hier nach Warschau fließt, kommt nun nicht mehr aus russischen Pipelines. (Foto: Nikolay Doychinov/AFP)

Vom russischen Gaslieferstopp ist das Land besonders hart getroffen. Dennoch zeigt sich die Regierung in Sofia zuversichtlich.

Von Tobias Zick, München

Kurz bevor er zu einer Reise nach Kiew aufbrach, wo er mit der ukrainischen Regierung am Mittwoch über Waffenlieferungen beraten wollte, richtete Kiril Petkow einen Appell ans Volk. "Ich will allen bulgarischen Bürgern versichern, dass sie beruhigt sein sollten: Es gibt einen klaren Plan", sagte der Ministerpräsident. "Die europäische Antwort wird eine gemeinsame sein." Eine solche benötigt das ärmste EU-Land dringend, denn es bezog sein Erdgas bislang zu etwa 90 Prozent vom russischen Monopolisten Gazprom. Bis am Mittwochmittag dann, wie aus Moskau angedroht, das Gas aufhörte zu fließen.

Dank anderer Quellen sowie noch bestehender Reserven sei die Versorgung nun noch für "mindestens einen Monat" gesichert, erklärte das bulgarische Energieministerium. Rundum beruhigende Botschaften klingen anders. Industrieverbände warnen bereits, der Maschinenbau, die metallverarbeitende Industrie, der Chemiesektor würden unter dem Lieferstopp massiv leiden, es drohten enorme Preissteigerungen.

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Dass Moskau durch derlei Maßnahmen die bulgarische Regierung unter Druck setzen würde, war zu befürchten gewesen. Kiril Petkow, der im Dezember mit einer ambitionierten Anti-Korruptions-Agenda das Amt des Regierungschefs übernommen hat, hat einen dezidiert kremlkritischen Kurs eingeschlagen - durchaus gegen starke innenpolitische Widerstände in Kabinett und Parlament.

Die auch kulturell, sprachlich und religiös begründete politische Nähe zu Russland ist in Bulgarien traditionell deutlich ausgeprägter als in anderen Staaten Südosteuropas; der Angriffskrieg gegen die Ukraine allerdings hat Russland in der bulgarischen Bevölkerung viele Sympathien gekostet. Petkows Regierung hat sich eindeutig gegen den Ukraine-Krieg positioniert und mehrmals russisches Botschaftspersonal wegen Spionagevorwürfen ausgewiesen. Seine Reise nach Kiew am Mittwoch wurde daheim mit viel Argwohn begleitet: Die mitregierenden Sozialisten drohen, die Koalition aufzukündigen, sollte es tatsächlich zu Waffenlieferungen kommen; auch Staatspräsident Rumen Radew warnte, direkte Militärhilfe für die Ukraine könnte einen "Schritt zur direkten Einbeziehung Bulgariens in diesen Konflikt" bedeuten.

Auch in der Energiepolitik hatten sich die Spannungen zwischen Sofia und Moskau zuletzt verschärft. Vizepremier Assen Wassilew erklärte Mitte März, man werde angesichts des Ukraine-Krieges nicht mit Gazprom über eine Verlängerung des Ende 2022 auslaufenden Liefervertrags verhandeln - dies sei "in dieser Situation" schlicht ausgeschlossen. Es gebe Alternativen zu russischem Gas, dies sei Bestandteil einer "gemeinsamen europäischen Strategie". In der Tat arbeitet Sofia mit Unterstützung der EU seit Längerem daran, die eigene Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. So soll etwa ein Drittel des Bedarfs künftig mit Lieferungen aus Aserbaidschan gedeckt werden - von dort fließt Erdgas bereits durch die "Trans Adriatic Pipeline" über griechisches und albanisches Territorium bis an die italienische Adriaküste.

Zudem baut ein griechisch-bulgarisches Konsortium ein neues Terminal für Flüssiggas, das etwa aus den USA mit Tankschiffen angeliefert werden kann, nahe des nordgriechischen Hafens von Alexandroupoli. Das südliche Nachbarland spielt für Bulgarien eine Schlüsselrolle für die künftige Energieversorgung - am Mittwoch telefonierte Petkow mit seinem Athener Kollegen Kyriakos Mitsotakis, dieser erklärte im Anschluss, sein Land werde Bulgarien in der "neuen Situation, die durch die russischen Energie-Entscheidungen verursacht wurde", bereitwillig helfen.

Entscheidend für die Versorgung Bulgariens mit nichtrussischem Gas ist eine seit Längerem geplante Pipeline-Verbindung nach Griechenland - diese solle nun mit Nachdruck fertiggebaut werden und schon im Juni bereitstehen, hieß es nach dem Gespräch aus Athen.

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