Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi hat eine neue Militäroffensive gegen die Aufständischen in mehreren Städten gestartet. Kampfflugzeuge flogen am Dienstag Angriffe auf Stellungen der Rebellen in der Raffinerie-Stadt Ras Lanuf. Gefechte wurden auch aus Misurata gemeldet, der drittgrößten Stadt, die etwa 100 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis liegt. Großbritannien und Frankreich bemühten sich um ein UN-Mandat, um eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten. Der britische Außenminister William Hague sagte am Dienstag in London, dafür bedürfe es einer "breiten internationalen Unterstützung". Die USA sehen Probleme dabei, diese militärisch durchzusetzen. Washington hält sich alle Optionen offen, darunter eine Bewaffnung der Rebellen. Russland und China haben bisher keine Bereitschaft gezeigt, sich zu beteiligen.
Am stärksten war am Dienstag Ben Jawad umkämpft, ein Ort zwischen Bengasi und Misurata. Eine Reporterin des Senders Al-Dschasira berichtete von Scharfschützen, die auf Minaretten Stellung bezogen hätten. Die Taktik der Gaddafi-Truppen in kleineren Städten bestehe darin, Aufständische in Hinterhalte zu locken. Die Frontlinie habe sich aber in den vergangenen Tagen höchstens um 50 Kilometer verschoben.
Das libysche Staatsfernsehen berichtete am Dienstag, die Armee habe die Stadt Al-Sawija 50 Kilometer westlich von Tripolis zurückerobert. Die Chamis-Brigade, eine Elitetruppe des Regimes, befehligt von einem Gaddafi-Sohn, hatte die Stadt mit Panzern, Kanonen und Scharfschützen tagelang unter Beschuss gehalten. Die Internetverbindungen in Al-Sawija blieben am Dienstag gekappt, Mobiltelefone hatten keinen Empfang.
Den Rebellen im Osten Libyens droht das Benzin auszugehen. Es gebe nur noch Treibstoff für eine Woche, berichtete die in Dubai erscheinende Zeitung Gulf News unter Berufung auf die Übergangsregierung. Die Region ist zwar reich an Erdöl und verfügt über Raffinerien, doch diese stellten ihre Produktion weitgehend ein. Das Welternährungsprogramm hat erstmals Lebensmittel nach Libyen gebracht. Eine Million Libyer sollten in den kommenden drei Monaten versorgt werden, teilte die UN-Organisation am Dienstag mit. Die Menschen hätten ihre Vorräte weitgehend aufgebraucht. Ein Konvoi transportierte im Rahmen des 40 Millionen Dollar umfassenden Hilfsprogramms 70 Tonnen Dattel-Riegel nach Bengasi. Auch ein Schiffstransport mit Weizenmehl sei auf dem Weg dorthin.
Das Gaddafi-Regime will angeblich Beobachter der Vereinten Nationen und der EU ins Land lassen. "Wir werden sie eskortieren, wir werden sie beschützen und sie werden die Möglichkeit haben, überall hinzugehen", zitierte ein EU-Diplomat am Dienstag einen Regierungsvertreter aus Tripolis. Die libysche Staatsführung habe in Gesprächen zugesichert, dass eine Untersuchungsmission sofort mit der Arbeit beginnen könne. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte den Italiener Agostino Miozzo nach Libyen entsandt. Ashtons Sprecher sagte, es handele sich dabei um eine technische Erkundungsmission: "Es gab keinerlei Kontakte mit irgendwelchen politischen Kräften." Die EU habe noch nicht entschieden, ob sie das Angebot zur Entsendung von Beobachtern annehme. Indessen forderte Deutschland auch im UN-Sicherheitsrat schärfere Sanktionen gegen die libysche Führung. "Wir wollen, dass der Sicherheitsrat aktiv wird und weitere Sanktionen erwägt", sagte Berlins UN-Botschafter Peter Wittig am Dienstagabend.
