Britischer Spitzel enttarnt:Feuer und Flamme für die Polizei

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Auch die Szene der verdeckten Ermittler ist internationaler geworden: Der britische Undercover-Agent Mark Kennedy spionierte die linke Szene in 20 Ländern aus - auch in Deutschland. Er nahm sogar an illegalen Aktionen teil.

Hans Leyendecker

Schulterlange Haare, die zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden sind, die Arme stark tätowiert, hochgereckter Daumen - nicht nur auf Fotos sieht der Brite Mark Stone sehr zupackend aus. In der militanten Umweltszene Europas stand der heute 41-jährige im Ruf, Feuer und Flamme für die Bewegung zu sein. Stone hängte Protestbanner an Kräne, blockierte Züge und Straßen und wenn es Randale gab, war er mittenmang. Doch der Name war so falsch wie der ganze Kerl. In Wirklichkeit heißt der Mann Mark Kennedy; er war verdeckter Ermittler (VE) einer britischen Spezialeinheit und spionierte mindestens sieben Jahre lang linke Gruppen in Europa aus - auch in Deutschland.

Über die deutschen Auftraggeber des Undercover-Agenten berichtete Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes (BKA), am Mittwoch in einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses des Bundestages. Nach Angaben des BKA-Chefs ist Stone alias Kennedy vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm von den mecklenburgischen Sicherheitsbehörden angefordert worden. Wie in solchen Fällen üblich, sei ein Vertrag zwischen dem Land und den Briten geschlossen worden.

Der verdeckte Ermittler habe sich verpflichtet, keine Straftaten zu begehen und über seine Arbeit für die deutschen Behörden einen Bericht zu fertigen. Ähnlich sei es in Baden-Württemberg gewesen. Auch für einen Einsatz im Ländle sei der Polizist angefordert worden und ein Vertrag sei auch unterschrieben worden. In Berlin war Stone/Kennedy zur Stippvisite. Aus den Angaben Zierckes schlossen einige Parlamentarier im Ausschuss, es müsse sich eher um einen touristischen Abstecher des Ermittlers gehandelt haben. Einen Vertrag mit den Berliner Behörden hat der VE nicht geschlossen.

Kennedy war ein Reisender in Sachen Ausspähung der Linken und der alternativen Szene. Von 2002 bis 2009 soll er in mehr als zwanzig Ländern im Einsatz gewesen sein. So nahm er unter anderem auch an Protestaktionen in Spanien und in Island teil. Bei den üblichen Besetzungen von Kraftwerken kletterte er ganz vorneweg und er soll auch ein Meister darin gewesen sein, sich ganz fest anzuketten.

Grenzüberschreitende Aktionen verdeckter Ermittler sind in Europa Alltag geworden. Manche von ihnen arbeiten für Zollfahndungsdienste, andere für die Polizei im Bereich der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Verlässliche Angaben darüber, wie viele verdeckte Ermittler im Bereich des Staatsschutzes spionieren oder provozieren, gibt es nicht. Bekannt ist aber, dass auch deutsche verdeckte Ermittler im Ausland wirken. Ein hochrangiger Berliner Sicherheitsbeamter erklärt, beim G8-Gipfel in Heiligendamm sei eine "Internationale der VE im Einsatz gewesen". Aus "einem halben Dutzend" Ländern seien Spezialisten vom Kaliber des Briten angefordert worden.

Die Beamten sollen, so steht es in den Vorschriften, von zwei Beamten beim Einsatz geführt werden. Der eine kommt, wie es im Fachjargon heißt, aus dem Herkunftsland, der andere aus dem Zielland - in diesem Fall Mecklenburg-Vorpommern. Im Fall des britischen Spezialisten soll allerdings kein deutscher Führungsbeamter eingeschaltet worden sein.

Die Szene der verdeckten Ermittler ist, ebenso wie die Protestbewegung, internationaler geworden. Früher pinselten solche Ermittler Transparente für die Evangelische Studentengemeinde oder überwachten Nicaragua-Arbeitskreise der Kirche. Sie sprachen oft nur Dialekt, hatten keine Fremdsprachenkenntnisse.

"Meine Welt ist zerstört"

Anfang der neunziger Jahren beispielsweise wurden zwei verdeckte Fahnder des Landeskriminalamts Stuttgart enttarnt, die über Jahre versucht hatten, in Tübingen, Freiburg, Stuttgart und Karlsruhe in linke politische Zirkel einzudringen - die Spätzle-Connection hießen sie. In Baden-Württemberg gibt es offenbar eine Tradition der politischen VE-Spitzel. Erst neulich flog in Heidelberg ein "Simon Brenner" auf, der beim Erstsemestergrillen der Netteste war und gern mit den anderen zu Demos fuhr. Er arbeitete in Stuttgart für die Abteilung "Verdeckte Ermittlungen - Staatsschutz".

Die Verträge mit den verdeckten Ermittlern sind manchmal die Tinte nicht wert. "Übertreibungen" seien an der Tagesordnung, sagt ein Ermittler, und die Zusicherung, keine Straften zu begehen, stehe oft auch nur auf dem Papier. Kennedy hat in Heiligendamm an einer Straßenblockade teilgenommen und Ordnungskräfte notierten damals seine Personalien. Ein Verfahren bekam er nicht.

Am Rosenthaler Platz in Berlin soll er 2007 auf einer Fahrbahn Papier aus einem Müllcontainer angezündet haben. Ein Verfahren wegen Sachbeschädigung wurde nach Paragraph 153 a der Strafprozessordnung gegen Geldauflage eingestellt. Ziercke berichtete im Ausschuss auch knapp über das sehr ausschweifende Sexualleben des verdeckten Ermittlers. Ähnliche Beschreibungen gibt es auch aus anderen Staaten.

Der Mann mit dem Pferdeschwanz hat sich die Haare ordentlich kurz schneiden lassen und soll in die USA geflüchtet sein. Einer britischen Zeitung teilte er mit, seine Welt sei zerstört: "Ich habe keine Freunde mehr. Sie gehörten alle zu der Aktivistenbewegung".

© SZ vom 28.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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