Brexit:Britische Regierung will Unterhaus noch heute in Zwangspause schicken

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  • Bereits heute soll das britische Parlament in eine fünfwöchige Zwangspause geschickt werden.
  • Premier Boris Johnson will so verhindern, dass seine Pläne zum Brexit blockiert werden.
  • Johnson will das Land am 31. Oktober aus der Staatengemeinschaft führen, "komme, was wolle".
  • Die Labour-Opposition hält den Schritt für "absolut unverantwortlich".

Das britische Parlament soll bereits an diesem Montagabend in eine fünfwöchige Zwangspause geschickt werden. Das teilte ein Regierungssprecher in London am Montag mit.

Die Entscheidung gehört zu den Maßnahmen, mit denen Premier Boris Johnson verhindern will, dass seine Pläne zum Brexit blockiert werden. Die Vertagung schmälert die entsprechenden Möglichkeiten des Unterhauses. Johnson will das Land am 31. Oktober aus der Staatengemeinschaft führen, "komme, was wolle".

Allerdings sieht ein am vergangenen Freitag verabschiedetes Gesetz vor, dass die Regierung eine Verlängerung der Brexit-Frist beantragen muss, wenn bis zum 19. Oktober kein Abkommen ratifiziert ist. Bei einem No Deal drohen schwere Schäden für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche. Heute soll das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit mit der Billigung durch Königin Elizabeth II. in Kraft treten.

Ebenfalls heute will der britische Premierminister allerdings auch erneut über eine Neuwahl abstimmen lassen. Mit der Abstimmung wird erst am Abend gerechnet. Für eine Neuwahl ist die Zustimmung von zwei Dritteln aller Abgeordneten notwendig. Bei einem ersten Versuch am Mittwoch hatte Johnson die dafür im Parlament nötige Zweidrittelmehrheit deutlich verfehlt. Die Opposition hat bereits angekündigt, dass sie das Gesetz erneut nicht zulassen wird.

Johnson will am 15. Oktober wählen lassen, um dann zwei Tage später beim EU-Gipfel mit einem Mandat für seinen kompromisslosen Brexit-Kurs zu erscheinen. Er hatte die Aussetzung des Parlamentsbetriebs für die Zeit "zwischen dem 9. und dem 12. September" angekündigt.

Labour-Chef Jeremy Corbyn nannte die Entscheidung "schändlich". Der Premierminister scheine "vor Fragen davonzulaufen". Die Labour-Abgeordnete Catherine West sagte, sie sei "absolut unverantwortlich in einer politischen Krise, wie sie jetzt besteht". Ihre Kollegin Alison McGovern ergänzte, statt die Abgeordneten wegzuschicken, sollte die Zwangspause für das Parlament aufgehoben werden, um den engen Brexit-Zeitplan vielleicht doch noch einhalten zu können. "Jeder, der sagt, das sei normal, liegt falsch", schrieb sie auf Twitter.

Im Oberhaus kündigten Abgeordnete an, die Zeremonie der "Prorogation" boykottieren zu wollen. Sie soll am Montagabend nach dem Ende der Amtshandlungen folgen. Dies könnte sich allerdings bis nach Mitternacht hinziehen.

Johnson, der am Morgen in Dublin seinen irischen Kollegen Leo Varadkar getroffen hatte, scheint seine Strategie geändert zu haben. Bisher hat er darauf hingearbeitet, notfalls auch ohne Deal - "komme, was wolle" - aus der EU auszutreten. Gefahren und Risiken würden übertrieben, hat er mehrmals gesagt. Nun betonte er, "ehrlich" einen Deal mit der EU zu wollen, was bedeuten würde, doch noch das von seiner Vorgängerin Theresa May mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen durchs Parlament zu bringen. "Ich unterschätze die Schwierigkeiten nicht (eine technische Alternative zum Backstop zu finden)", sagte er, "aber es gibt einen Weg." Ohne Deal auszutreten stellte ein "Versagen der Staatskunst" dar, "für das wir alle verantwortlich wären", sagte Johnson in Dublin.

Johnson musste sich in Irland harte Worte von Varadkar anhören. Dieser betonte, es könne keinen "klaren Bruch" mit der EU geben, wie das Nigel Farage, Chef der Brexit-Partei, in Aussicht stellt. Vielmehr würden die Verhandlungen auch nach einem Austritt ohne Deal weitergehen. "Wir treten dann einfach in eine neue Phase ein."

Wenn es keinen Deal gebe, werde das "ernsthafte Schwierigkeiten" sowohl für britische wie für irische Bürger mit sich bringen. Man werde dann sofort wieder verhandeln müssen: über Bürgerrechte, finanzielle Fragen, die irische Grenze - "all die Themen, die wir im Rückzugsabkommen mit Ihrer Vorgängerin gelöst haben", sagte Varadkar. Und selbst wenn es einen Deal gebe, müsse man natürlich weiter verhandeln. Dann werde es um die künftigen Beziehungen gehen, um Zölle, Fischereirechte, Produktstandards, Staatshilfen. Das alles müsse von 31 Parlamenten ratifiziert werden, "eine herkulische Aufgabe".

Was den Backstop für die Grenze zu Nordirland betrifft, werde er sich anhören, was Johnson an neuen Ideen vorbringe. Ein bloßes "Versprechen" reiche allerdings nicht, sagte Varadkar. Notfalls werde die EU über eine Verlängerung der Austrittsfrist mit sich reden lassen, aber nur, wenn es einen guten Grund dafür gebe.

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