Brexit:Johnson stimmt Großbritannien auf harten Bruch mit EU ein

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Großbritanniens Premierminister Boris Johnson gibt seine Entscheidung zu den Brexit-Verhandlungen bekannt (Archivbild). (Foto: TOBY MELVILLE/REUTERS)

Es gebe nur ein Handelsabkommen, wenn die EU ihre Haltung "fundamental" ändere. Die Verhandlungen will er offenbar trotz seines Ultimatums nicht abbrechen.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat sein Land auf einen harten Bruch mit der EU ohne Vertrag zum 1. Januar eingestimmt. Ein Abkommen mit Brüssel sei unwahrscheinlich, teilte er in London mit. Der Europäischen Union warf Johnson vor, sie verhandele nicht ernsthaft. Die EU habe offenkundig kein Interesse an einem von Großbritannien gewünschten Freihandelsabkommen wie mit Kanada. Dementsprechend erwarte man nun eine Beziehung wie mit Australien, also ohne Vertrag.

Die EU hat mit Australien bisher nur ein Rahmenabkommen, das unter anderem technische Hürden betrifft. Im Großen und Ganzen findet der Handel zwischen Europa und Australien auf Grundlage der Welthandelsorganisation WTO statt. Auf Großbritannien übertragen wäre das dann der gefürchtete No Deal.

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Die EU und Großbritannien verhandeln seit Monaten über einen Handelspakt, der nach dem Brexit und der wirtschaftlichen Trennung zum Jahresende Zölle und Handelshemmnisse verhindern soll. Doch ist man in entscheidenden Punkten von einer Lösung weit entfernt. Eigentlich hatte Johnson angekündigt, die Gespräche abzubrechen, sollte bis zum EU-Gipfel, der derzeit in Brüssel stattfindet, keine Einigung in Sicht sein. Davon sind die Verhandlungspartner offenbar noch weit entfernt. Der Gipfel sei nicht "sehr ermutigend" gewesen, sagte Johnson.

"Kommt hierher, kommt zu uns"

Gleichwohl ließ sich Johnson eine Hintertür offen, doch noch weiter mit der EU über einen Handelspakt zu verhandeln. Dafür müsse die EU allerdings ihre Haltung ändern, sagte der Premier in seinem im Fernsehen übertragenen Statement. In Richtung der EU forderte Johnson: "Kommt hierher, kommt zu uns - wenn es fundamentale Änderungen an eurer Position gibt."

Nur wenige Minuten nach der Ansprache reagierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und schrieb auf Twitter: "Die EU wird weiter an einem Deal arbeiten, aber nicht um jeden Preis." Wie geplant werde das europäische Verhandlungsteam in der kommenden Woche nach London reisen, um die Gespräche zu intensivieren.

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Die Staats- und Regierungschefs hatten London beim EU-Gipfel aufgefordert, "die nötigen Schritte zu tun, um ein Abkommen möglich zu machen". Bundeskanzlerin Angela Merkel geht weiter davon aus, dass die EU und Großbritannien kommende Woche über ein Handelsabkommen beraten. "Ein Abkommen wäre in beiderseitigem Interesse", sagte Merkel nach Ende des EU-Gipfels. "Auch hier drängt die Zeit." Sicher müsse bedacht werden, dass es zu keiner Vereinbarung kommen könne, sagte sie. Merkel wiederholte ihre Auforderung, dass sich alle Seiten bewegen müssten. Es gehe keineswegs nur um den Streit um Fischerei-Rechte, betonte sie. Vielmehr müssten klare Regeln existieren, was geschehe, wenn Großbritannien nach dem Austritt aus dem EU-Binnenmarkt etwa neue Beihilfe-Regeln einführe, die nicht kompatibel zu EU-Standards sind.

Drei wichtige Streitpunkte

Bei den Verhandlungen geht es um einen umfassenden Handelsvertrag ab 2021. Großbritannien hatte die Staatengemeinschaft Ende Januar verlassen, ist aber während einer Übergangszeit bis zum Jahresende noch Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Erst danach kommt der wirtschaftliche Bruch.

Ohne Vertrag drohen Zölle und hohe Handelshürden. Die Wirtschaft auf beiden Seiten warnt vor erheblichen Verwerfungen. Einbußen sind bereits jetzt zu spüren. In den seit Monaten laufenden Verhandlungen gab es lange Zeit fast keine Bewegung. Hauptstreitpunkte waren von Anfang an der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern sowie die Forderung der Staatengemeinschaft nach gleichen Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft, also gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards. Im Gegenzug soll Großbritannien Waren ohne Zoll und Mengenbeschränkung in den EU-Binnenmarkt liefern können.

Dritter wichtiger Punkt für die EU sind Regeln zur Schlichtung für den Fall, dass eine Seite gegen das Abkommen verstößt. Das rückte zuletzt in den Vordergrund, weil ein britisches Gesetz Teile des bereits gültigen EU-Austrittsvertrags aushebeln soll. Dabei geht es um Sonderregeln für den britischen Landesteil Nordirland. Brüssel reagierte empört auf das sogenannte Binnenmarktgesetz.

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