Brexit:Dieser Mann leitet den Brexit ein

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Der britische Botschafter Sir Tim Barrow in Brüssel: Er übergibt heute Mays Brief, der den EU-Astritt formal einleitet. (Foto: AFP)

Sir Tim Barrow steht heute im Zentrum des Brexit: Sobald er Theresa Mays Brief übergeben hat, fangen die Uhren für die Austrittsverhandlungen an zu ticken.

Von Simon Conrad

Wie sieht es eigentlich aus, wenn Geschichte geschrieben wird? Eine Antwort ist: Manchmal ist es ziemlich banal. An diesem Mittwoch wird Sir Tim Barrow Geschichte schreiben, hochgedienter Karrierediplomat und britischer EU-Botschafter in Brüssel. Das wird so ablaufen: Sir Tim Barrow geht in das Gebäude des Europäischen Rates und gibt einen Brief ab. Damit stellt das Vereinigte Königreich dann endgültig den formalen Antrag, der den zweijährigen Scheidungsprozess von der Europäischen Union einleitet.

Die Scheidung müsste nicht so beginnen. Die "European Union Bill", macht keine klaren Angaben zu den Formalitäten - außer, dass es Premierministerin Theresa May zusteht, den Austrittswunsch Großbritanniens zu bekunden. Die wollte den Antrag aber offenbar nicht selbst in Brüssel stellen - sondern die Sache lieber schriftlich erledigen. Der Chef-Sprecher der Europäischen Kommission, Margaritis Schinas, ist schon vorgewarnt: "Wir sind bereit, mit den Verhandlungen zu beginnen und warten auf den Brief."

Sir Tim Barrow kommt in diesem Prozess vor allem die Rolle eines hochdekorierten Briefträgers zu, der das Schreiben höchstpersönlich, also an Stelle der Premierministerin, überreicht. Die hatte den Brief gestern unterschrieben, in der Nacht wurde er unter hohen Sicherheitsvorkehrungen von London per Kurier nach Brüssel gebracht. Der Empfänger des Briefes ist Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rats. Sein Büro liegt nur 190 Meter von der britischen Botschaft entfernt, zwei Gehminuten. Wahrscheinlich geht Sir Tim zu Fuß, so britische Medien. Nähere Details, wo und wie Barrow und Tusk zusammentreffen, sind allerdings streng geheim - zu groß ist die Angst vor Versuchen der EU-Befürworter, den Brief doch noch im letzten Moment abzufangen.

Was bekannt ist: Der Termin ist für etwa 13 Uhr anberaumt, zeitgleich mit der Rede Theresa Mays, die den Austritt vor der Presse verkündet. Kurz darauf wird Tusk in Brüssel vor die Presse treten - allerdings ohne Barrow, denn dessen Arbeit ist nach der Briefübergabe erstmal getan. Mit der Übergabe des Briefes läuft die Uhr für den Austrittsprozess an. Das Vereinigte Königreich und die EU haben zwei Jahre Zeit, um ein Abkommen über das zukünftige Verhältnis zueinander auszuarbeiten.

Ein krisenerfahrener Botschafter

Für Tim Barrow selbst ist der Einsatz als Briefträger wohl mehr Routine als Großereignis. Trotzdem dürfte dieser Tag selbst dem krisenerfahrenen Botschafter - er diente bereits in Kiew und Moskau - in Erinnerung bleiben. Denn auch sein Arbeitsalltag dürfte sich in den kommenden Monaten radikal ändern, wenn es daran geht, sein Land möglichst unbeschadet aus der EU zu manövrieren.

Welche Herausforderungen das mit sich bringt, zeigt unter anderem der frustrierte Rücktritt seines Vorgängers Ivan Rogers. Dieser hatte nicht vermocht, die Verhandlungstaktik Londons mit seinen langjährigen Erfahrungen im Brüsseler Politikbetrieb in Einklang zu bringen, zu sehr wichen die Vorstellungen der Regierung Mays von den politischen Realitäten in der EU ab. Barrow wird den Weg zum Ratsgebäude sicher noch öfter gehen müssen - leichter wird er nicht werden.

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