Bremen wählt neues Parlament:Entspannt ignoriertes Sandkastenspiel

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In Deutschlands kleinstem Bundesland regiert die SPD seit 65 Jahren. Doch bei der Wahl könnte sich einiges verschieben: wenn die Grünen sehr gut abschnitten, vor den Christdemokraten lägen und diesen eine Koalition anbieten würden. Allein: Die grüne Spitzenkandidatin Karoline Linnert empfindet schon die Frage nach dieser Option als Zumutung.

Jens Schneider und Michael Bauchmüller

Die Offerte der CDU könnte alles verändern in Bremen. Sie könnte einem Wahlkampf, der seit Wochen entschieden zu sein scheint, ein Finale mit bundesweiter Strahlkraft bescheren. Überdies wäre es eine neue, aufregende Variante im Farbenspiel der Parteien, nachdem jüngst die erste grün-rote Koalition in Baden-Württemberg entstanden ist: Sollten die Grünen in Bremen am Sonntagabend vor der CDU liegen, könnte ihre Spitzenkandidatin Karoline Linnert neue Bremer Bürgermeisterin werden - als Chefin der ersten grün-schwarzen Koalition auf Landesebene. Die CDU wiederum könnte eine schlimme Niederlage in einen Erfolg verwandeln, und die SPD verlöre erstmals nach mehr als sechzig Jahren die Macht in Bremen.

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Die Spitzenkandidatin der Christdemokraten, Rita Mohr-Lüllmann, hat angekündigt, dass sie nach den Wahlen zu Gesprächen bereit wäre. Aber es ist mit diesem Angebot wie mit einer postlagernden Sendung, die der Empfänger gar nicht abzuholen gewillt ist. Denn: Die grüne Spitzenkandidatin und Finanzsenatorin Karoline Linnert empfindet schon die Frage nach dieser Option als Zumutung. Ihr Blick deutet an, dass man sich in der Politik befinde und nicht bei einem Sandkastenspiel, und dann sagt sie lakonisch: "Und in meinem nächsten Leben werde ich Prinzessin." Mit der CDU, das ist ihre klare Botschaft, könne man schlicht nicht regieren.

Tatsächlich wird die grün-schwarze Idee in der Stadt entspannt ignoriert, was wohl daran liegt, dass sie als allzu abwegig erscheint. Zu viel spricht dagegen. Zwischen CDU und Grünen gibt es kaum Schnittmengen, das Verhältnis zwischen den Parteispitzen ist frostig. Die CDU-Kandidatin versteht sich zwar als liberale Christdemokratin und ist eher atomkritisch. Ansonsten aber versucht die Unternehmerin, sich bevorzugt mit heftigen Attacken gegen die Verkehrspolitik des grünen Senators Reinhard Loske zu profilieren. Linnert kann mit Mohr-Lüllmann, wenn man es freundlich formuliert, wenig anfangen. Sie sieht auch sonst keine Verbindungen zur Bremer CDU.

Die Grüne ist seit Jahrzehnten in Bremen als Politikerin unterwegs, und sie hat so aufmerksam wie kritisch verfolgt, wie die Christdemokraten die politisch unerfahrene Mohr-Lüllmann in einer Lage zur Spitzenkandidatin machten, in der schon alles verloren zu sein schien. Dass die CDU nun ein schwarz-grünes Bündnis nicht ausschließt, wirkt wie ein Versuch, sich interessant zu machen, weil man sonst wenig Interesse weckt.

Allzu große Hoffnung sollte sich in der Union aber niemand machen. Auch die Grünen im Bund sehen keinen Grund zum Partnerwechsel in Bremen. "Inhalte gehen vor Macht", sagt Parteichefin Claudia Roth trocken. "Wir werden uns da nicht in Machtphantasien verlieren." Schließlich sei das Bündnis mit Sozialdemokraten doch ganz gut gelaufen.

Tatsächlich regierten SPD und Grüne in den vergangenen vier Jahren so harmonisch, dass sie nicht ein einziges Mal den Koalitionsausschuss anrufen mussten. Davon schwärmen auch grüne Weggefährten von Linnert. Die empfindet SPD-Bürgermeister Böhrnsen als "sehr verlässlich" und das Spiel mit den Machtoptionen als geradezu unmoralisch: "So was gibt es auch nicht, dass man einfach die Betten wechselt."

So bleibt es dabei, dass die CDU vor diesem Wahltag nur mit einer Botschaft aus Bremen rechnen kann, die ihr wenig Freude bereiten würde: dass sie nämlich zum ersten Mal hinter SPD und Grünen in einem Land nur Dritte wird. An der Weser spotten sie nun schon, dass ein neues rot-grünes Bündnis dann als große Koalition in die Geschichte eingehen wird.

© SZ vom 21.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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