Brasilien:Lula bleibt in Haft

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Trotz neuer Erkenntnisse kommt der Ex-Präsident nicht frei. Es soll konkrete Absprachen zwischen dem damaligen Richter, Sérgio Moro, und den zuständigen Staatsanwälten gegeben haben, Lula hinter Gitter zu bringen.

Von Christoph Gurk, München

Der Oberste Gerichtshof Brasiliens hat am Dienstag zwei Anträge abgelehnt, mit denen Anwälte die sofortige Freilassung von Luiz Inácio Lula da Silva erreichen wollten. Der brasilianische Ex-Präsident wurde 2017 zu einer langen Gefängnisstrafe wegen Korruption verurteilt, ein Jahr später wurde diese bestätigt und das Strafmaß sogar noch erhöht. Seit April letzten Jahres sitzt Lula darum in Haft. Weil das Urteil aber ausschließlich auf Indizien beruhte, sorgt es immer noch für Kritik.

Anfang Juni veröffentlichte der brasilianische Ableger des Nachrichtenportals The Intercept nun Ausschnitte aus privaten Gesprächen zwischen dem damaligen Richter, Sérgio Moro, und den zuständigen Staatsanwälten. Sie zeigen deutlich, dass es ganz konkrete Absprachen zwischen beiden Seiten gab, immer mit dem Ziel, Lula hinter Gitter zu bringen.

Die Veröffentlichung der Gespräche hat in Brasilien einen Skandal ausgelöst. Denn aufgrund der Inhaftierung konnte Lula nicht an den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2018 teilnehmen, bei der er als einer der aussichtsreichsten Favoriten galt. Damit wurde der Weg frei für den rechtsextremen Jair Bolsonaro, der die Wahl letztendlich auch gewann. Es sei kein Zufall, sagen Kritiker, dass Bolsonaro nach seinem Amtsantritt Sérgio Moro umgehend zum Justizminister erklärte. Genauso wie der ganze Prozess gegen Lula ein hinter Paragrafen versteckter Putsch gewesen sei.

Letzte Woche musste Moro sich wegen der Affäre schon über Stunden hinweg vor einem Ausschuss des Senats rechtfertigen. Der politischen Aufarbeitung folgte nun noch die juristische: Nach Bekanntwerden der Chats und E-Mails hatten Lulas Anwälte umgehend zwei Anträge gestellt. In ihnen forderten sie Lulas sofortige Freilassung, da zum einen ein neuer Prozess erforderlich sei und Moro zudem ihrer Meinung nach kein unparteiischer Richter war. Den ersten Antrag lehnten die Richter ab, bezüglich der Unparteilichkeit entschieden sie aber mit einer Mehrheit von drei zu zwei Stimmen, die Frage erst zu einem späteren Zeitpunkt zu prüfen. Erst nach der am Mittwoch einsetzenden Urlaubspause wird sich das Oberste Gericht erneut mit dem Thema beschäftigen. Lula muss so lange weiter in Haft bleiben.

Er selbst beteuert weiter seine Unschuld. Sollte er nicht auf freien Fuß kommen, hat er dennoch Chancen, nach Verbüßung eines Sechstels seiner Strafe ab September in den Hausarrest entlassen zu werden. Gleichzeitig laufen gegen den Ex-Präsidenten aber noch sieben weitere Prozesse wegen Korruption.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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