Südamerika:Wie Brasiliens Ex-Präsident die Justiz narrt

Lesezeit: 2 min

  • Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ernennt ihren Vorgänger Lula plötzlich zum Minister.
  • Damit entzieht sich Lula, dem Korruption vorgeworfen wird, der Verfolgung des Bundesrichters Sérgio Moro. Ihm kann nun nur noch in höchster Instanz der Prozess gemacht werden.
  • Lula wird voraussichtlich zum starken Mann im Kabinett - der angeschlagenen Präsidentin bleibt nur eine dekorative Rolle.

Von Boris Hermann, Rio de Janeiro

Der frühere brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, 70, kehrt tatsächlich in die aktive Politik zurück. Er nahm die Einladung seiner Nachfolgerin und Weggefährtin Dilma Rousseff an, wie das Büro der 68-Jährigen am Mittwoch bestätigte. Beide gehören der Arbeiterpartei (PT) an. Lula übernimmt den einflussreichen Ministerposten der "Casa Civil", vergleichbar mit dem deutschen Kanzleramtschef. Noch vor wenigen Wochen wäre diese Personalie unvorstellbar gewesen.

Aber inzwischen ist nichts mehr unvorstellbar in Brasilien. Gegen Lula wird gerade wegen Korruption und Geldwäsche rund um den Fall Petrobras ermittelt. Die Staatsanwaltschaft São Paulo hat vergangene Woche Untersuchungshaft beantragt. Der Fall liegt inzwischen bei dem für die Petrobras-Ermittlungen zuständigen Bundesrichter Sérgio Moro. Der ist berühmt für sein Faible, einflussreiche Leute einzusperren. Als Minister entzieht sich Lula vorerst der Strafverfolgung Moros, jetzt kann ihm nur noch in höchster Instanz der Prozess gemacht werden. Der einstige Superheld der lateinamerikanischen Linken ist sich des fatalen öffentlichen Signals dieses Schrittes offenbar bewusst. Tagelang hat er hin- und herüberlegt und zuletzt mit Rousseff das Für und Wider abgewogen. Am Ende kam er zu dem Schluss: Die Freiheit gönnt er sich.

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Der ehemalige Staatspräsident, Held der Linken in ganz Lateinamerika, würde gern wieder bei der Wahl antreten. Aber er hat Ärger mit der Justiz - und vor allem ein starkes politisches Lager gegen sich.

Von Boris Herrmann

In PT-Kreisen wird selbstverständlich vehement bestritten, dass es bei dem Kabinettsumbau darum gehe, den Parteigründer Lula vor dem Gefängnis zu retten. Er sei vielmehr der Einzige, dem zugetraut werde, die gegenwärtige Regierungskrise beizulegen. Rousseffs wichtigster Koalitionspartner, die PMDB von Vizepräsident Michel Temer, droht offen mit Koalitionsbruch. Damit wäre wohl das Ende der Regierung Rousseff besiegelt, denn dann brächte die Präsidentin nicht mehr die erforderlichen Stimmen zusammen, um das laufenden Amtsenthebungsverfahren gegen sie im Kongress abzuschmettern. In diesem Fall würde Temer ins höchste Staatsamt nachrücken.

Ein großes Talent für Hinterzimmer-Allianzen

Lula dürfte tatsächlich der Einzige sein, der dieses Szenario noch aufhalten kann. Sein Talent, in Hinterzimmern scheinbar unmögliche Allianzen zu schmieden, ist legendär. In Brasilien gibt es dafür sogar ein informelles Verb: "lulieren". In seiner Zeit als Präsident, von 2003 bis 2010, als Brasilien noch ein Wirtschaftswunderland war, hat er mit dieser Methode erfolgreich Politik gemacht. Die von allen Seiten in die Ecke gedrängte PT setzt nun auf das große Revival. Jüngste Umfragen zeigen, dass Lula immer noch zu den beliebtesten Politikern Brasiliens gehört.

Auch in Kreis der Arbeiterpartei ist Lula ungleich populärer als Rousseff, vor allem im linken Flügel. Ein Großteil der Probleme der Präsidentin rühren auch daher, dass sie von der eigenen Basis abgelehnt wird. Seit ihrer Wiederwahl Ende 2014 versucht sie, die dramatische Rezession mit einer Sparpolitik zu bekämpfen, die auch soziale Einschnitte vorsieht. Alle entsprechenden Maßnahmen wurden aber im Kongress blockiert. Ein Teil der Wähler wirft ihr deshalb Unfähigkeit vor, der andere Verrat an linken Idealen. Von Lula wird nun erwartet, dass er zurückkehrt zur traditionellen PT-Politik. Für wirtschaftsliberale Kreise ist das ein Horrorszenario, für die Basis der Arbeiterpartei die Lösung aller Sorgen. Fest dürfte stehen, dass Lula nicht in die Regierung zurückkehrt, um Anweisungen von oben entgegen zu nehmen. 2018 will er wieder Präsident werden, die Macht hat er wohl schon an diesem Mittwoch übernommen. Für Dilma Rousseff bleibt da nur noch die Rolle einer dekorativen Repräsentantin, vergleichbar mit der britischen Königin.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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