Grüne in Brandenburg:"Untragbares Fehlverhalten"

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Julia Schmidt ist als Landesvorsitzende der Grünen in Brandenburg zurückgetreten. Aus privaten Gründen, sagt sie. Der Vorstand sagt etwas anderes. (Foto: Bernd Settnik/dpa)

Julia Schmidt ist vom Amt als Landeschefin der Grünen in Brandenburg zurückgetreten, nachdem der Landesvorstand sie dazu gedrängt hat. Schmidt selbst stellt die Angelegenheit anders dar.

Die Co-Vorsitzende der Grünen in Brandenburg, Julia Schmidt, ist zurückgetreten - auf Drängen des Vorstandes der Landespartei. Die Partei habe kein Vertrauen mehr in Schmidt für eine weitere Zusammenarbeit, begründete der Vorstand die Entscheidung. Er warf der 29-Jährigen Fehlverhalten vor, ohne allerdings konkret zu werden.

Derzeit regieren die Grünen in Brandenburg in einer "Kenia"-Koalition mit SPD und CDU. Der Rücktritt kommt für die Grünen angesichts der bevorstehenden Wahl zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

Der Grünen-Parteivorstand teilte schriftlich mit, er habe Schmidt bei der Vorstandssitzung am Freitagabend das Vertrauen entzogen. Sie sei der Aufforderung zum Rücktritt nachgekommen. Ohne weitere Erläuterung teilte der Vorstand mit: "Vorangegangen waren wiederholte Fälle untragbaren Fehlverhaltens." Über die Nachfolge sollen die Delegierten im April entscheiden.

"Keine schmutzige Wäsche waschen"

Anders als der Landesvorstand äußerte sich Grünen-Landeschefin Alexandra Pichl, die mit Schmidt eine Doppelspitze bildete. Sie sprach von einem Vertrauensbruch. "Wir haben in den letzten Wochen und Monaten immer mehr den Eindruck gehabt, dass Julia vor allem in eigener Sache unterwegs ist und nicht in Sachen des Landesverbands", sagte sie. "Sie hat sich auch nicht an ihr Wort gehalten und sie hat nachhaltig Vertrauen zerstört."

rbb24 sagte Pichl, Schmidt habe Gremien umgangen und "Falschaussagen getroffen". Im Interesse des Landesverbands und im Interesse von Frau Schmidt wolle sie jedoch "keine schmutzige Wäsche waschen". Wie der Sender berichtet, soll es in der Partei zuletzt einen Streit um die richtige Strategie für den Landtagswahlkampf 2024 gegeben haben, an dessen Ende Schmidt allein dagestanden habe.

Schmidt selbst äußerte sich zunächst nicht zu diesen Vorwürfen. Sie sprach vielmehr von einer persönlichen Entscheidung und twitterte, sie mache den Weg frei für eine Neuaufstellung des Landesverbandes und wolle sich ihrem Studium widmen. Die Politikstudentin aus Hohen Neuendorf stand seit 2019 zusammen mit Pichl an der Spitze der Landespartei.

"Öffentliches Nachtreten, das ist ja nicht die feine englische Art"

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Jan Redmann bedauerte den Rücktritt und nutzte ihn für Kritik an der grünen Partei. "Die Brandenburger Grünen verlieren einen ihrer profiliertesten Köpfe. Sie hat es der CDU nie leichtgemacht", sagte Redmann. Aber "ich habe sie in Verhandlungen durchaus kreativ und kompromissfähig erlebt. Das wird fehlen." Er schrieb bei Twitter: "Öffentliches Nachtreten, das ist ja nicht die feine englische Art. Wo bleibt da der Respekt?"

Die SPD äußerte sich nicht zum Rücktritt. SPD-Generalsekretär David Kolesnyk sagte, es handele sich um eine interne Angelegenheit der Grünen, die keine Auswirkungen auf die Koalition habe.

Schmidt teilte via Twitter eine Erklärung zu ihrem Rücktritt mit: "Brandenburgs Parteien stehen gegenwärtig vor der Aufgabe, sich inhaltlich und personell für die Landtagswahl 2024 aufzustellen." Sie habe sich persönlich entschieden, als Spitzenkandidatin nicht mehr zur Verfügung zu stehen. "Ich möchte vielmehr zunächst mein Studium abschließen, was zuletzt neben der politischen Tätigkeit immer schwieriger gelungen ist."

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Schmidt hatte zuletzt auch immer wieder Kritik an Koalitionspartnern geübt. Sie warb wiederholt für einen schnelleren Braunkohleausstieg in der Lausitz und sagte, der Ausbau der erneuerbaren Energien dürfe von SPD und CDU nicht verbockt werden. 2021 hatte sie eine bessere Zusammenarbeit in der Koalition gefordert.

Bereits 2005 ist in Brandenburg ein grüner Landesvorsitzender zurückgetreten - wegen einer illegal beschäftigten Putzfrau. 2012 verhängte ein Gericht gegen den Schatzmeister des Landesverbands eine Gefängnisstrafe. Er hatte 270 000 Euro aus der Parteikasse genommen.

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