Großbritannien:Interner Bericht zu Lockdown-Partys stellt Versäumnisse der Regierung Johnsons fest

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Boris Johnson steht in der Partygate-Affäre seit Wochen unter Druck. (Foto: CARL RECINE/AFP)

In ihrem Bericht wirft die Spitzenbeamtin Sue Gray der Regierung Johnsons mangelndes Urteilsvermögen und Führungsschwäche vor. Es fehlen jedoch wichtige Teile der Untersuchung. Der Premier entschuldigt sich.

Nach tagelanger Verzögerung hat der britische Premierminister Boris Johnson den internen Untersuchungsbericht zur "Partygate"-Affäre und möglichen Verletzungen von Corona-Regeln erhalten. Die Spitzenbeamtin Sue Gray habe den Report übergeben, bestätigte Johnsons Büro. Der Bericht wurde mittlerweile auf der Regierungswebseite veröffentlicht.

Gray stellt in ihrem Bericht "Versäumnisse in Bezug auf Führung und Urteilsvermögen" an der Spitze der Regierung von Premierminister Johnson fest. Sie wirft der Regierung mangelndes Urteilsvermögen und Führungsschwäche vor. "Zumindest einige der fraglichen Zusammenkünfte stellen ein ernsthaftes Versäumnis dar, nicht nur im Bezug auf die hohen Standards, die von denjenigen erwartet werden, die in der Regierung arbeiten, sondern auch auf die Standards, die von der gesamten britischen Bevölkerung zu dieser Zeit erwartet wurden", schreibt Gray.

Angesichts der Einschränkungen für die Bürger während der Pandemie sei ein Teil des Verhaltens während dieser Treffen schwer zu rechtfertigen. Einige der Veranstaltungen hätten nicht stattfinden dürfen. Andere hätten sich nicht so entwickeln dürfen, wie sie es getan haben, stellt Gray fest. Es scheine, als sei in der Regierung wenig darüber nachgedacht worden, was im Land gerade passiere. Sie forderte klare Regeln, die Trinkgelage am Arbeitsplatz verhindern. "Der übermäßige Konsum von Alkohol ist an einem professionellen Arbeitsplatz zu keiner Zeit angebracht."

Zudem müssten Mitarbeiter in der Lage sein, sich über ungebührliches Verhalten zu beschweren. Einige Regierungsmitarbeiter hätten zwar Bedenken äußern wollen, seien aber davor zurückgeschreckt, schreibt Gray.

Johnson entschuldigt sich

Der Premierminister reagierte am Montagnachmittag auf die Veröffentlichung des Berichts. "Ich entschuldige mich für die Dinge, die wir falsch gemacht haben", sagte ein betretener Johnson im Londoner Unterhaus. Die Pandemie sei für alle hart gewesen und er verstehe den Ärger in der Bevölkerung über die Lockdown-Partys.

Eine Entschuldigung sei aber nicht genug, da etliche Menschen in der Pandemie große Opfer gebracht und sich an die Regeln gehalten hätten, sagte Johnson. Der Premier kündigte weitreichende Umstrukturierungen und Reformen in seinem Amtssitz an. "Ich verstehe es und ich werde es in Ordnung bringen", sagte Johnson. Ein Rücktritt, wie ihn die Opposition und einige Abgeordnete seiner eigenen Partei gefordert hatten, gehört für Johnson jedoch aus freien Stücken nicht dazu.

Teile des Berichts fehlen wegen laufender Polizeiermittlungen

Wegen parallel laufender Polizeiermittlungen hat Gray ihren Bericht nicht vollständig übergeben. Die Londoner Polizei fürchtet, dass ihre Ermittlungen in dem Skandal um Lockdown-Partys in der Downing Street durch die Erkenntnisse beeinträchtigt werden könnten. Deshalb hatte sie darum gebeten, die entsprechenden Teile aus dem Bericht zu entfernen. Die Opposition fordert dessen vollständige Veröffentlichung.

Medienberichte über zahlreiche Feiern im Regierungssitz hatten Johnson, der selbst an einigen Partys teilgenommen haben soll, erheblich unter Druck gesetzt. Wegen der Zensur des Berichts ist es jedoch unwahrscheinlich, dass nun schwere Vorwürfe gegen Johnson erhoben werden.

© SZ/dpa/Reuters/kast/tobu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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