Boliviens Staatschef Morales:Meister der Verlängerung

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Der bolivianische Präsident Evo Morales ist der Meister darin, die Verfassung eines Landes an die eigene Karriereplanung anzupassen. (Foto: dpa)
  • Dank einer Verfassungsänderung darf Boliviens Präsident Evo Morales ein viertes Mal kandidieren.
  • Das Verfassungsgericht in Sucre hat den Weg dafür freigemacht.
  • Die Opposition ist entrüstet und spricht von einem "Staatsstreich" sowie von "einem neuen Venezuela".

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Boliviens Präsident Evo Morales regiert seit 2006, also fast so lange wie Angela Merkel. Viele Bolivianer sind der Meinung, dass der einstige Kokabauer seine Sache gut macht. Bolivien ist immer noch eines der ärmsten Länder Lateinamerikas, aber entgegen dem regionalen Trend wächst seine Volkswirtschaft seit Jahren stabil. Die Arbeitslosigkeit und die extreme Armut sind deutlich gesunken, die Fortschritte im Bereich der Bildung, der Energieversorgung und beim Ausbau der Verkehrswege unübersehbar. Der Sozialist Morales, 58, hält es deshalb für legitim, dass er noch ein bisschen weitermachen will. Am Liebsten bis 2025, wenn sein Land 200 Jahre Unabhängigkeit feiert.

Im Gegensatz zur deutschen Bundeskanzlerin muss Morales aber nicht nur Wähler und Koalitionspartner davon überzeugen, dass er weiter gebraucht wird. Die bolivianische Verfassung erlaubt zwei Amtszeiten in Serie. Morales plant, 2019 zum vierten Mal anzutreten. Am Dienstag machte das Verfassungsgericht in Sucre dafür den Weg frei. Damit folgten die Richter einem Antrag von Abgeordneten der Regierungspartei MAS, die sinngemäß argumentiert hatten, dass die Verfassung verfassungswidrig sein, weil sie das passive Wahlrecht verletze. Diese Verfassung wurde 2009 von der Regierung Morales selbst eingeführt.

Schon jetzt regiert Morales länger als alle anderen Staatschefs in der Geschichte Boliviens

In fast allen Staaten Lateinamerikas sind die Möglichkeiten zur Wiederwahl eines Präsidenten gesetzlich beschränkt. Das ist eine Lehre aus der Zeit der Militärdiktaturen, der Versuch einer Absicherung gegen Autoritarismus, Personenkult und Ämterpatronage. Aber ebenso alt wie diese gut gemeinten Regeln ist auch der Versuch, sie zu umgehen.

Gegen die chronische lateinamerikanische Krankheit, die Verfassung an die Karriereplanung anzupassen, sind weder linke noch rechte Präsidenten immun. In Honduras, wo immer noch die Wahl vom vergangenen Sonntag ausgezählt wird, versucht der konservative Staatschef Juan Orlando Hernández, sich über das Wiederwahl-Verbot hinwegzusetzen. Evo Morales aber ist der unangefochtene Meister auf diesem Gebiet. Schon jetzt regiert er länger als alle anderen Staatschefs in der Geschichte Boliviens.

Als er vor zwölf Jahren erstmals gewählt wurde, sah die damalige Verfassung nur eine Amtszeit vor. Seit der Reform 2009 sind zwei Amtszeiten erlaubt. Morales argumentierte damals, dass mit der neuen Verfassung auch die Zählung seiner Amtsperioden von null beginnen müsse - ein Trick, auf den die meisten Bolivianer gerne hereinfielen, es ging ja voran. 2016 dann wollte sich der nimmermüde Präsident per Referendum einen vierten Turnus genehmigen lassen. Entgegen seines Kalküls lehnten die Wähler diesen Wunsch aber mit knapper Mehrheit ab. Kurz vor der Abstimmung hatte sein Ansehen wegen einer mutmaßlichen Liebesaffäre inklusive eines unehelichen Kindes schwer gelitten. Seither war Morales auf der Suche nach einem Plan B. Den hat er jetzt offenbar beim Verfassungsgericht gefunden.

Die Opposition ist entrüstet und spricht von einem "Staatsstreich" sowie von "einem neuen Venezuela". Der ewige Evo aber tut so, als könne er die ganze Aufregung nicht verstehen. Er habe doch lediglich gesagt, dass er bereit sei, wenn er vom Volk erneut gerufen werde.

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