Blutbad in der Hauptstadt Jemens:Selbstmordattentäter tötet in Sanaa mindestens 90 Menschen

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Die ersten Befürchtungen haben sich bestätigt: Bei dem Anschlag in Jemen sind mehr als 90 Menschen ums Leben gekommen. Ein Selbstmordattentäter hatte sich inmitten einer Gruppe von Soldaten in die Luft gesprengt.

Bei einem Anschlag auf jemenitische Soldaten sind in Sanaa zahlreiche Menschen ums Leben gekommen. Das Verteidigungsministerium sprach von 96 Toten. Die staatliche Nachrichtenagentur Saba berichtete unter Berufung auf Sicherhheitskreise von mindestens 90 Todesopfern.

Militärkreisen zufolge ereignete sich der Anschlag, während eine Einheit von Soldaten für eine Parade in der Hauptstadt Sanaa exerzierte. Demnach trug der Attentäter eine Armee-Uniform und sprengte sich inmitten der Soldaten in die Luft. Nach BBC-Angaben marschierten die Soldaten zum Zeitpunkt des Anschlags gerade über einen Platz in der Nähe des Präsidentenpalastes. Der Verteidigungsminister und der Stabschef waren nach Angaben aus Militärkreisen zugegen, blieben aber unverletzt. Die Parade war für Dienstag geplant, den Nationalfeiertag in Jemen. Auch Präsident Abd Rabbu Mansur Hadi sollte dabei anwesend sein.

Wer den Anschlag verübte, war zunächst nicht klar. Die Sicherheitslage in Jemen ist äußerst labil. So kam es verstärkt zu Angriffen von Islamisten, seit Hadi im Februar die Macht übernahm. Dem waren monatelange Proteste gegen den langjährigen Herrscher Ali Abdullah Salih vorausgegangen.

Bereits am Sonntag waren bei Gefechten zwischen Al-Qaida-Kämpfern und Regierungstruppen im Süden des Landes 17 Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien acht Aufständische, vier Soldaten und fünf Freiwillige, die auf Seiten der Streitkräfte kämpften, sagte ein Militärsprecher. Die Regierungstruppen hatten am Freitag eine Offensive in Südjemen begonnen. Diese ist Teil der geplanten Rückeroberung von Sindschibar, der Hauptstadt der Provinz Abjan, die seit einem Jahr unter der Kontrolle des örtlichen Arms der al-Qaida steht. In den vergangenen Tagen waren bereits Dutzende Kämpfer auf beiden Seiten ums Leben gekommen.

Schwache Zentralregierung, Terror und Separatismus

Jemen ist das Armenhaus Arabiens. Die schwache Zentralregierung hat große Probleme, die Staatsgewalt gegen traditionelle Stammesstrukturen durchzusetzen. Clanführer ließen mehrfach Ausländer entführen, um Forderungen an die Behörden durchzusetzen. Der Süden fühlt sich von der Zentralregierung benachteiligt. Eine Separatistenbewegung kämpft seit Jahren für die Abspaltung. Hinzu kommt der teils politisch, teils religiös motivierte Aufstand schiitischer Houthi-Rebellen im Norden des Landes, der seit 2004 mehrfach zum Bürgerkrieg eskalierte.

Al-Qaida nutzt das von Bergen und Wüsten geprägte Land als Rückzugsgebiet, dort gibt es viele Ausbildungslager der Terrororganisation. Islamisten aus Jemen und Saudi-Arabien gründeten 2008 zudem die "Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel", die zwischenzeitlich weite Gebiete des 530.000 Quadratkilometer großen Landes kontrollierte.

Schon seit langem verüben Islamisten in Jemen Anschläge. Im Jahr 2000 sprengten sich in der Hafenstadt Aden Selbstmordattentäter mit einem kleinen Boot am vor Anker liegenden US-Zerstörer USS Cole in die Luft und rissen 17 US-Soldaten mit in den Tod. Im September 2008 töteten Al-Qaida-Kämpfer 16 Menschen bei einem Angriff auf die US-Botschaft in Sanaa. Auch Anschläge auf US-Passagierflugzeuge wurden hier vorbereitet.

Der Arabische Frühling hat in Jemen zu keinem echten Regimewechsel geführt. Präsident Ali Abdullah Salih, der das Land seit 1978 beherrschte, musste nach Unruhen und einem Anschlag sein Amt zwar seinem Stellvertreter überlassen, doch die politische Lage blieb angespannt. Im Vergleich zum großen Nachbarn Saudi-Arabien sind Wirtschaft und Infrastruktur in Jemen schwach entwickelt. Der Konsum der Volksdroge Kat beeinträchtigt stark die Wirtschaftskraft. Ihr Anbau verschlingt einen großen Teil der knappen Wasserreserven des Landes.

© Süddeutsche.de/AFP/dapd/Reuters/dpa/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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