Black Lives Matter:Flammen in Kenosha

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Nachdem weiße Polizisten einen Schwarzen mit mehreren Schüssen in den Rücken schwer verwundet haben, kommt es in der Stadt in Wisconsin zu schweren Ausschreitungen mit Toten.

Von Hubert Wetzel, Washington

Bei Protesten gegen einen gewaltsamen Polizeieinsatz in der Stadt Kenosha im US-Bundesstaat Wisconsin sind in der Nacht zu Mittwoch zwei Menschen durch Schüsse getötet und eine dritte Person schwer verwundet worden. Die Umstände sind noch unklar. Berichte, die sich auf Videoaufnahmen stützen, legen nahe, dass ein Mann, der an einer Tankstelle Wache hielt, um diese vor Plünderung zu schützen, mit einem Gewehr auf Demonstranten gefeuert hat. Auf einem Video, das den Schützen zeigen soll, ist ein junger Weißer zu sehen.

Die Opfer sind schwarz. Berichten zufolge wurde der Mann am Mittwoch wegen Mordes angeklagt. Präsident Donald Trump erklärte zudem, die Nationalgarde nach Wisconsin zu schicken. Man werde "Gesetz und Ordnung wiederherstellen", schrieb Trump bei Twitter. In den USA kommt es in vielen Städten seit Monaten zu Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten, die gegen Polizeibrutalität und Rassismus protestieren. Immer wieder werden auch Geschäfte geplündert oder angezündet.

Ähnliches hat sich am Mittwochmorgen auch in Kenosha zugetragen, wo Brandstifter in den vergangenen Nächten erheblichen Schaden angerichtet hatten: Zunächst gab es am Abend Rangeleien zwischen Polizei und Demonstranten. Später traf eine Gruppe von Demonstranten auf eine Gruppe Bewaffneter, die eine Tankstelle bewachten. Es kam offenbar zunächst zu gegenseitigen Beschimpfungen. Später wurden von einem Mitglied dieser Gruppe dann die tödlichen Schüsse abgefeuert.

Die Proteste in Kenosha hatten Anfang der Woche begonnen, nachdem weiße Polizisten bei einem Einsatz den Schwarzen Jacob Blake mit mehreren Schüssen in den Rücken schwer verwundet hatten. Wie es genau zu der Auseinandersetzung kam, ist noch nicht geklärt. Videoaufnahmen von Augenzeugen zeigen, dass er weder eine Waffe in der Hand hatte noch auf andere Weise eine unmittelbare Bedrohung für die Beamten darstellte. Offenbar hatte er eine verbale Konfrontation mit den Polizisten, ging dann zu seinem Auto und beugte sich hinein. Die Beamten versuchten ihn davon abzuhalten. Die Aufnahmen zeigen, dass mindestens ein Polizist in dem Moment zu schießen begonnen hat, in dem Blakes Oberkörper im Auto verschwand.

Insgesamt wurde Blake von mehr als einem halben Dutzend Kugeln getroffen. Er hat überlebt, wird aber vermutlich gelähmt bleiben. Bisher haben die Behörden keine offiziellen Angaben über den Hergang der Tat oder die Identität des oder der Schützen gemacht. Blakes Familie wirft der Polizei "versuchten Mord" vor.

Die Lage in Kenosha ist in zweierlei Hinsicht beunruhigend. Sie zeigt, dass die massiven Demonstrationen gegen Polizeigewalt und Rassismus in den USA in den vergangenen Monaten im Alltag nur sehr begrenzte Wirkung hatten. Dass wieder ein Schwarzer von weißen Polizisten niedergeschossen wurde, ohne ersichtlichen Grund und vor den Augen seiner Kinder, die im Auto saßen, spricht nicht dafür, dass in den Police Departments der USA ein grundsätzlicher Gesinnungswandel stattfindet.

Zum anderen ist das Ausmaß der Gewalt und Zerstörung auf allen Seiten inzwischen erschreckend hoch. Die Polizei schießt oft wahllos mit Tränengas und Gummimunition auf Demonstranten, wobei sich unter diese immer wieder Plünderer und Brandstifter mischen, die eher an Krawall als an Politik interessiert sind. An manchen Orten hat das dazu geführt, dass sich private Bürgerwehren gebildet haben: Bewaffnete, die Geschäfte oder Häuser gegen Übergriffe schützen wollen. Dass diese Mischung explodiert und mit tödlichen Schüssen endet, ist eigentlich nicht verwunderlich.

Politisch heikel ist zudem, dass Kenosha im Bundesstaat Wisconsin liegt, einem der wichtigsten Staaten bei den bevorstehenden Wahlen. Der Demokrat Joe Biden muss den Staat, der 2016 für Donald Trump stimmte, dringend gewinnen, um ins Weiße Haus einzuziehen. Er muss dazu Solidarität mit der schwarzen Bevölkerung zeigen. Die Trump-Kampagne versucht bereits, die Eskalation der Gewalt als Argument gegen Biden zu nutzen und den weißen Wählern Angst zu machen. Das stehe ganz Amerika bevor, sollte Biden gewinnen, so Trumps Team.

© SZ vom 27.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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