Biografie:Zwischen zwei Kulturen

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Lamya Kaddor: Die Sache mit der Bratwurst. Mein etwas anderes deutsches Leben. Piper-Verlag München 2018, 256 Seiten, 20 Euro. E-Book: 17,99 Euro. (Foto: N/A)

Lamya Kaddor hat ihre Erlebnisse als Kind von Migranten aufgeschrieben. Außer Anekdoten gibt es auch ernsthafte Erkenntnisse.

Von Dunja Ramadan

Jeder in Deutschland aufgewachsene Muslim könne seine persönliche Geschichte mit der Bratwurst erzählen, glaubt Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor. Sie zumindest hat als Kindergartenkind versehentlich in eine Bratwurst gebissen - und zwar nicht in die Halal-Variante, sondern in die mit Schweinefleisch. Völlig aufgelöst erzählte sie ihrer syrischen Mutter davon, doch die drückte erst einmal in Ruhe ihre Zigarette aus, um ihrer Tochter dann zu sagen, dass das keine Sünde war, da sie das ja nicht absichtlich getan hatte.

Heute, drei Jahrzehnte später, gehört Lamya Kaddor zu den bekanntesten Islamwissenschaftlerinnen Deutschlands. Sie spricht auch dann in Talkshows über den Islam, wenn der Titel bereits im Vorfeld nur wenig Fortschritt verspricht. Nach ihrem jüngsten Buch "Die Zerreißprobe" erhielt die Religionspädagogin Morddrohungen. Kaddor beklagte darin, Deutschland habe ein "Rassismus-Problem" und die Mehrheitsgesellschaft komme ihrer Bringschuld nicht nach, Muslime zu akzeptieren. Die Reaktionen waren so heftig, dass Kaddor sich vom Schuldienst beurlauben ließ. Und trotzdem gibt die 40-jährige Mutter in ihrem neuen Buch "Die Sache mit der Bratwurst - Mein etwas anderes deutsches Leben" nun einen privaten Einblick. Das läge daran, dass sie das Buch bereits davor zugesagt hatte, wie sie auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung betont.

Kaddor beschreibt in ihrem Buch, wie es ist, als Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland aufzuwachsen. So wurde sie als Schülerin in der Grundschule fälschlicherweise in einen Türkischunterricht und im Gymnasium in einen Förderunterricht gesteckt. Im Religionsunterricht musste sie in der hintersten Reihe sitzen und durfte nicht am Unterrichtsgeschehen teilhaben. Und auch im Berufsleben ging es so weiter: Am ersten Tag als Lehrerin lobte eine Kollegin sie vor der Klasse für ihr gutes Deutsch. Das Buch ist auch ein Zeugnis dafür, dass herkunftsbedingte Nachteile immer noch ein Thema sind.

Trotzdem verliert sich Kaddor nicht in Schuldzuweisungen. Sie erzählt von den positiven Seiten, die ein Aufwachsen zwischen zwei Kulturen mit sich bringen kann: seien es die Reisen ins Heimatland der Eltern oder das beschauliche Aufwachsen im westfälischen Ahlen. Und sie erzählt unaufgeregt über einen muslimischen Alltag in Deutschland, in dem es nicht immer nur um Religion geht. Dabei spricht sie etwas an, was in der Migranten-Debatte oft unter den Tisch fällt: Denn genauso wie jeder in Deutschland aufgewachsene Muslim seine Geschichte mit der Bratwurst erzählen kann, können die meisten auch von Menschen berichten, die sie bestärkt und begleitet haben. In Kaddors Fall waren das ihre Lehrerin Frau Leber und die Nachbarsoma Frau Herrmann.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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