Beziehungen zwischen Deutschland und USA:Ausgespäht in übler Absicht

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Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel während der Visite des US-Präsidenten in Berlin im Juni 2013. (Foto: AFP)

US-Präsident George W. Bush und seine Kamarilla sahen in Deutschland einen zweitrangigen Störenfried, den man abhörte und oft nicht wie einen Partner behandelte. Unter Obama ist es nun besser - und doch liegt viel im Argen. Es ist höchste Zeit für eine Bestandsaufnahme des Verhältnisses.

Ein Kommentar von Kurt Kister

Man könnte sich fast daran gewöhnen. Angela Merkel wurde abgehört; jetzt weiß man, dass die NSA auch Gerhard Schröder im Visier hatte. Bei den Außenministern Joseph Fischer und Frank-Walter Steinmeier, vielleicht auch Guido Westerwelle, wird es ähnlich gewesen sein. Nein, dafür, dass Amerikas elektronischer Staatssicherheitsdienst auch die Außenminister ausspioniert hat, gibt es heute noch keine hinreichenden Indizien - es ist nur ziemlich wahrscheinlich.

In diesen Fällen ging es kein bisschen um die Bekämpfung von Terrorismus auch nur im allerweitesten Sinne. Eine Gruppe von Leuten in Washington, an deren Spitze wissend oder fahrlässig hinnehmend der jeweils amtierende US-Präsident stand, hat aus ausschließlich politischen Gründen jahrelang die deutsche Regierung in übler Absicht ausspähen lassen. Dies ist unter all den NSA-Skandalen ein Skandal erster Ordnung und darf nicht mit Hinweisen auf Realpolitik oder das, was angeblich alle tun, kleingeredet werden.

Deutschland und die USA haben viele und wichtige gemeinsame Interessen. Sie teilen Werte, auch weil die USA einen erheblichen Anteil daran hatten, dass zumindest West-Deutschland nach 1945 den Weg in ein freiheitliches System fand.

Dieses System setzte sich, wiederum dank des nicht uneigennützigen Engagements der Amerikaner, glücklicherweise in Europa gegen das sowjetische Modell durch. Bis zur Zeitenwende von 1989/90 war die Bundesrepublik für die USA ein zumeist bequemer Verbündeter, der zu Washington aufschaute und die Freundschaft zu den USA als außenpolitische Ultima Ratio verstand.

Bleibt Washington vage, ist dies auch eine Botschaft

Dem politischen Amerika war Deutschland nie so wichtig, wie dies umgekehrt der Fall war. Dieser Trend der abnehmenden Bedeutung des "alten" Europas und Deutschlands hat sich verstärkt; Bush und die Kamarilla um den Minister Rumsfeld sahen in den Jahren 2003 ff. in Berlin einen zweitrangigen Störenfried, dessen Repräsentanten man abhörte und dessen Regierungen man meistens nicht einmal wie einen Partner behandelte.

Unter Obama hat sich das etwas gebessert. Dennoch liegt sehr vieles im Argen. Es ist daher hohe Zeit für eine grundsätzliche Bestandsaufnahme des deutsch-amerikanischen Verhältnisses. Dazu gehört, dass Washington klar Auskunft gibt über Art und Dauer der politischen oder wirtschaftlich motivierten Ausspäherei in Deutschland und diese Praxis glaubwürdig beendet. Es bleibt genug zu tun für die Geheimdienste, wenn sie sich der Prävention von Verbrechen widmen, was sie durchaus in internationaler Kooperation tun sollten.

Bleibt Washington aber so vage und abwehrend wie bisher, ist dies auch eine Botschaft. Dann müssen die deutsche Regierung und der Bundestag gegenüber US-Politikern und Diplomaten, gegenüber der Öffentlichkeit und in Ausschüssen, auch Untersuchungsausschüssen, vermitteln, dass Washington Partnerschaft offenbar als eine von Misstrauen geprägte Nutzbeziehung versteht. Die Menschen in Amerika und Deutschland sehen das (noch) anders.

© SZ vom 06.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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