Hartnäckigkeit kommt durch - das ist die Devise von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, die belächelt wurde, als sie vor einem guten Jahr das Familienministerium übernahm. Zu jung, zu blond, zu unbedarft, meinten viele.
Inzwischen kommt die Sozialdemokratin aus den Schlagzeilen gar nicht mehr heraus, und die dürften ihr gefallen. Selbst das, was Schwesig schon missraten schien, soll jetzt noch hingebogen werden. Am Donnerstag einigten sich die Spitzen der Bundestagsfraktionen von Union und SPD darauf, den steuerlichen Freibetrag für Alleinerziehende zu erhöhen.
Höchste Zeit ist das und eine Anerkennung für Menschen, die zu den Leistungssportlern unter den Eltern zählen. Schwesig im Glück? Nicht ganz, zumal die Ministerin die Gaben für die Alleinerziehenden aus ihrem eigenen Etat finanzieren soll. Aber es ist schon bemerkenswert, wie viel die Ministerin in kurzer Zeit voran bringt. Das verdankt sie nicht unbedingt übermäßiger Geschicklichkeit, wohl aber der Tatsache, dass so viele im Land ihre Anliegen teilen. Familie, Partnerschaft, das angestammte Rollenspiel der Geschlechter, das ist ein Feld, das umgegraben werden will.
Karlsruhe hilft Schwesig kräftig beim Graben
Und Karlsruhe hat jetzt kräftig beim Graben geholfen. So wie es aussieht, kippt das Bundesverfassungsgericht das Betreuungsgeld. Das wäre ein Coup für die SPD - und ein Desaster für die Union, in der kein familienpolitisches Projekt so überfrachtet ist mit Bedeutung wie das Betreuungsgeld. Karlsruhe urteilt zwar nicht darüber, ob Eltern das Staatsgeld dafür kriegen sollen, dass sie Kinder nicht in eine öffentliche Kita bringen. Zu entscheiden ist aber, ob der Bund ein solches Gesetz erlassen darf, ja muss, um gleiche Lebensverhältnisse zu schaffen. Ein Nein der Richter zeichnet sich ab.
Es ging beim Betreuungsgeld ja auch nie um gleiche Lebensverhältnisse, sondern um ein Tauschgeschäft, das die CSU zwei Koalitionspartnern und der Kanzlerin abpresste, um ihre Klientel zu bedienen im Süden der Republik. Dort leben die Besserverdiener und die meisten noch verbliebenen Mütter, die sich in der Hausfrauenehe verwirklichen, zumindest eine Weile. Eigentlich brauchen solche Familien kein Betreuungsgeld, aber egal. Ein Statement sollte her, ein Zeichen gegen die Zeit, die nach Kita-Ausbau schreit, nach Frühförderung für Einwanderkinder oder Bildungsarme. Im wohlhabenden Bayern und bei der CSU wollte man das nicht hören. Sollten sie in den verkommenen Metropolen doch heulen und die im Osten und die Forscher, die vor Altersarmut bei Müttern warnen. Das Weltbild ging vor, die Selbstsucht des christlich geprägten Mittelstands.
Union steht familienpolitisch vor einem Totalschaden
Der Preis für so viel Eigenliebe ist hoch, und bezahlen muss ihn nun die gesamte Union. Kippen die Verfassungsrichter das Betreuungsgeld, weil sie die Belohnung eines ohnehin privilegierten Lebensmodells für überflüssig halten, steht die Union mit ihrer Familienpolitik vor einem Totalschaden. CDU und CSU haben die Deutungshoheit verloren über die Zukunftsfragen der Erziehung, der Partnerschaft, auch gerechter Verteilung beruflicher Rechte und Pflichten. Familienpolitik, das war mit der Inneren Sicherheit mal ein mächtiger Erbhof der Konservativen. Er ist verspielt, aus ideologischer Verbohrtheit.
Weil jedem Abschied aber ein Zauber inne wohnt, hat die Union jetzt die Chance, sich aufs Morgen zu konzentrieren - also auf alle, die künftig das Solidarsystem tragen müssen. Sie sind wenige, weshalb jeder einzelne umso mehr zählt und Kinder benachteiligter Familien noch wesentlich stärker gefördert werden müssen. Alleinerziehende stärker zu entlasten, ist zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Woher das Geld kommen soll? Aus dem Topf des Betreuungsgeldes natürlich. Er ist arg verbeult und gehört auf den Müll.