Wiederholungswahl in Berlin:Wahlbeteiligung liegt am Mittag bei 23,4 Prozent

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Wahl mit Einhörnern: Franziska Giffey, Regierende Bürgermeisterin von Berlin und Spitzenkandidatin der Berliner SPD, begrüßt vor ihrem Wahllokal in Berlin-Friedrichshain zwei verkleidete Wähler. (Foto: Christophe Gateau/dpa)

Die Berliner müssen nach dem Desaster der vergangenen Wahl wieder an die Urnen. Bislang verläuft die Stimmabgabe offenbar ohne größere Pannen. Der Landeswahlleiter spricht von nur wenigen Zwischenfällen, die Polizei ist dennoch im Großeinsatz.

Berlin wählt erneut - und das bisher offenbar ohne größere Pannen. Wie erwartet zeichnet sich allerdings eine geringere Wahlbeteiligung ab. Bis 12 Uhr mittags gaben 23,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. 2016 lag die Beteiligung für die Wahl zum Abgeordnetenhaus zum gleichen Zeitpunkt bei 25,1 Prozent - und damit um 1,7 Prozentpunkte höher. Die höchste Wahlbeteiligung zur Mittagszeit wurde aus dem Bezirk Steglitz-Zehlendorf gemeldet (25,7 Prozent), die niedrigste aus Mitte (20,3 Prozent).

Im September 2021 wurden zeitgleich die Wahlen zum Deutschen Bundestag und eine Abstimmung im Rahmen eines Volksentscheides abgehalten. Die Wahlbeteiligung wurde damals nur für die Bundestagswahl ermittelt und betrug am Mittag 27,4 Prozent. Die Wiederholungswahl in den 2257 Berliner Wahllokalen an diesem Sonntag verlaufe bisher - anders als 2016- ruhig, hieß es in einer Mitteilung der Geschäftsstelle des Landeswahlleiters.

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Nachdem die vergangene Wahl blamabel gescheitert ist, sind die Berliner nun erneut gefragt. Laut Umfragen wird die Wiederholungswahl an den Machtverhältnissen in der Hauptstadt wohl nicht viel ändern. Die Freude der Regierenden Bürgermeisterin Giffey könnte sich dennoch in Grenzen halten.

Von Jan Heidtmann

Seit dem Morgen sind etwa 2,4 Millionen Berlinerinnen und Berliner aufgerufen, ein neues Landesparlament zu wählen. Angeordnet hatte die in Deutschland in dieser Form noch nie dagewesene Wahlwiederholung der Berliner Verfassungsgerichtshof. Er erklärte die Abstimmung vom 26. September 2021 wegen "schwerer systemischer Mängel" und zahlreicher Wahlfehler für ungültig. Auch die Wahlen zu den zwölf Bezirksverordnetenversammlungen finden noch einmal statt: Hierbei können 2,7 Millionen Wahlberechtigte ihre Stimme abgeben.

Eine der größten Fragen ist, wie viele Menschen überhaupt abstimmen werden, nachdem die vergangene Wahl so blamabel scheiterte. Die Wahllokale sind noch bis 18 Uhr geöffnet.

"Es gibt immer mal kleinere Probleme, die auftauchen"

Die Wiederholungswahl begann nach Einschätzung von Landeswahlleiters Stephan Bröchler mit nur wenigen Zwischenfällen. "Es gibt immer mal kleinere Probleme, die auftauchen", sagte Bröchler am Mittag der Deutschen Presse-Agentur. So habe etwa eine Schaltung bei einer Telefonanlage nicht funktioniert. Dies habe der Anbieter aber in kurzer Zeit behoben. Im Stadtteil Moabit habe ein Schlüssel für eine Wahlurne gefehlt. Dieser sei aber schnell herangeschafft worden.

Zudem hätten sich mehr Wahlhelfer als erwartet coronabedingt krankgemeldet. "Das konnten wir aber ausgleichen." Von einem ganz pannenfreien Sonntag gehe er dennoch nicht aus, es gebe keine fehlerlose Wahl.

Auch der Berliner Wahlforscher Thorsten Faas mahnte zur Ruhe bei der Bewertung der Wahl. Jede minimalste Komplikation werde "vermutlich minutiös berichtet" und möglicherweise auch skandalisiert, schrieb Faas auf Twitter. Er empfahl: "Bisschen locker bleiben". "Jeder Fehler sollte ernst genommen werden. Es geht nicht darum, die Augen zuzudrücken." Wichtig sei aber abzuwarten, wie es sich insgesamt entwickele und dann die Situation zu bewerten.

Wahlumfragen sehen die bisherige Oppositionspartei CDU auf Platz 1

Auch viele Politiker haben bereits gewählt. Umwelt- und Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen, kam mit ihrem Mann ins Wahllokal im Ortsteil Schmargendorf. "Meine Kreuzchen sind gesetzt", twitterte sie. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey nannte den Wahlkampf "sehr intensiv". "Wir haben alles gegeben, was möglich war", sagte sie am Rande ihrer Stimmabgabe am Sonntagmittag. Beim Wahlgang hatte sie eine besondere Begegnung: Sie traf an ihrem Wahllokal in Friedrichshain auf zwei Leute im Einhorn-Kostüm.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kam mit Partnerin zur Stimmabgabe in die Grundschule am Ritterfeld. Er präsentierte sich gut gelaunt. Zuletzt hatte die bisherige Oppositionspartei CDU in Umfragen deutlich vor SPD und Grünen gelegen. Seit 2016 regieren SPD, Grüne und Linke zusammen, im Dezember 2021 erneuerten sie die Koalition. Seither ist die frühere Bundesfamilienministerin Giffey Regierende Bürgermeisterin.

Möglich wären nach den letzten Umfragen unterschiedliche Bündnisse. Neben einer CDU-geführten Koalition wäre auch denkbar, dass SPD, Grüne und Linke zusammen weiterregieren. Die CDU könnte dann trotz eines Wahlsiegs am Ende leer ausgehen. Wer auch immer künftig in Berlin koaliert, kann es maximal bis 2026 tun. Da es sich um eine Wiederholungs- und keine Neuwahl handelt, ändert sich nichts an der Legislaturperiode.

Großeinsatz der Berliner Polizei

Zugleich zeigten Umfragen, dass rund ein Drittel der Berliner bis zuletzt nicht wusste, wen und ob sie überhaupt wählen. Der Unmut über das politische Personal sowie eine generelle Ratlosigkeit "lässt in noch geringerem Maße verlässliche Aussagen über den Wahlausgang zu, als es ohnehin bei den meisten Wahlen der Fall ist", erklärte Forsa-Chef Manfred Güllner.

Die Berliner Polizei sichert die Wiederholungswahl mit bis zu 1700 Einsatzkräften ab. Die Polizistinnen und Polizisten seien bis etwa 21 Uhr zusätzlich stadtweit unterwegs, sagte eine Behördensprecherin. Es gehe um den Schutz der insgesamt mehr als 2200 Wahllokale, des Abgeordnetenhauses und von Regierungsgebäuden. "Ziel ist, den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl zu sichern", so die Sprecherin.

Größeren Kundgebungen vor Wahllokalen sind nicht zugelassen, weil dies den Zutritt behindern könnte. Zudem sollen Störaktionen verhindert werden. Bislang liegen der Polizei aber keine Hinweise dafür vor, dass die Wahl behindert werden soll. Die Beamten stehen zudem in engem Austausch mit der Landeswahlleitung. Wenn es in den Wahllokalen zu Engpässen kommt, soll die Polizei unterstützen - etwa beim Transport zusätzlicher Wahlkabinen oder Wahlurnen.

Zu den Problemen 2021 zählten falsche und fehlende Stimmzettel, zu wenige Wahlurnen, die zeitweise Schließung von Wahllokalen sowie lange Schlangen davor mit Wartezeiten von mitunter mehreren Stunden. In rund der Hälfte der Wahllokale stimmten Wähler damals nach 18 Uhr ab, als Medien schon Prognosen verbreiteten. Auch die Bundestagswahl in Berlin könnte wegen der damaligen Pannen teilweise oder ganz wiederholt werden. Darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht - wann, ist noch offen.

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