Belarus:Lukaschenkos Rundumschlag

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Alexander Lukaschenko verteidigt vor dem Parlament in Minsk die erzwungene Landung eines Passagierflugzeugs in Belarus. (Foto: Sergei Shelega/dpa)

Der belarussische Diktator weist den Vorwurf zurück, sein Land habe die Ryanair-Maschine zur Landung gezwungen. Dem Westen droht seine Regierung mit Gegensanktionen.

In einem Rundumschlag hat der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko die erzwungene Landung der Ryanair-Maschine in Belarus verteidigt, den verhafteten Oppositionellen Roman Protassewitsch einen Terroristen genannt und dem Westen mit Gegensanktionen gedroht. "Ich habe rechtmäßig gehandelt, indem ich die Menschen geschützt habe - nach allen internationalen Regeln", sagte Lukaschenko laut belarussischem Staatsfernsehen im Parlament in Minsk. Das belarussische Militär hatte das Flugzeug mit 100 Passagieren an Bord am Sonntag zur Landung in Minsk genötigt, wo Protassewitsch und seine Freundin Sofia Sapega verhaftet wurden.

Belarus, so Lukaschenko, habe aus der Schweiz Informationen über einen Sprengsatz in dem Flugzeug erhalten, das unterwegs nach Litauen war. Daher sei es mit Unterstützung eines Kampfjets nach Minsk umgeleitet worden: "Dass die Maschine mit einem Kampfjet vom Typ MiG-29 zur Landung gezwungen wurde, ist eine absolute Lüge." Belarus habe aus Sicherheitsgründen gehandelt, weil die Maschine über ein Atomkraftwerk geflogen sei. Die Schweizer Regierung bestritt, von einer Bombenwarnung gewusst zu haben, folglich habe sie keine weitergeleitet.

Kritiker werfen dem Diktator einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr vor. Die EU hat deswegen neue Sanktionen gegen den Machtapparat in Belarus beschlossen. Einige Politiker sprachen von "Luftpiraterie" und "Staatsterrorismus". Die EU-Flugsicherheitsbehörde empfahl Fluggesellschaften, den Luftraum über Belarus zu meiden. Mehrere Airlines stellen ihre Routen um.

Von Protassewitsch wurde nach seiner Verhaftung ein Video veröffentlicht, in dem er einräumt, er habe Proteste in Belarus angestachelt. Oppositionelle sind überzeugt, dass er zu der Aussage gezwungen war. Seinem Aussehen nach wurde er misshandelt oder sogar gefoltert. Lukaschenko sagte laut Agentur Tass, Protassewitsch habe eine "blutige Rebellion" geplant. Hätte er gewusst, dass der 26-Jährige im Flugzeug war, hätte er den Befehl gegeben, die Maschine am Weiterflug zu hindern. Am Dienstagabend tauchte ein Video auf, in dem Sapega sagt, sie habe persönliche Daten belarussischer Strafverfolgungsbeamter veröffentlicht, was in ihrem Land ein Verbrechen ist.

Minsk spricht von "schmerzhaften" Maßnahmen, zaudert aber offenbar

Zu den Sanktionen sagte Lukaschenko, es hätten "uns nicht wohl Gesonnene im In- und Ausland ihre Angriffsmethoden auf den Staat geändert". Sie hätten "viele rote Linien überschritten und den gesunden Menschenverstand und die menschliche Moral aufgegeben", zitierte ihn die Agentur Belta.

Ministerpräsident Roman Golowtschenko äußerte sich in der Präsidialamtszeitung Belarus Segodnja: Die Regierung habe "Schutzmaßnahmen" vorbereitet. Diese "werden für die Länder, die eine offen feindselige Haltung eingenommen haben, ziemlich schmerzhaft sein". Er nannte Beschränkungen beim Transit und ein Importembargo. Golowtschenko ließ verstehen, dass Minsk nicht sofort handle: "Wir schlagen vor, nüchtern noch einmal nachzudenken, bevor Sie den rutschigen Weg eines Wirtschaftskrieges gehen, in dem es keine Sieger geben wird."

Russland, das Lukaschenko unterstützt, beteuerte, nicht in den Vorfall verwickelt zu sein. Der Kreml sehe keinen Grund, Lukaschenkos Darstellung zu misstrauen. Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja kündigte eine neue Phase der Anti-Regierungs-Proteste an: "Es gibt nichts mehr abzuwarten. Wir müssen den Terror ein für alle Mal stoppen."

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