Baupläne für Geheimdienst-Zentrale in Berlin:Verschwundene BND-Pläne zeigen geheime Fluchtwege

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Alles halb so wild, wiegelte BND-Chef Ernst Uhrlau nach dem Verschwinden der geheimen Baupläne für die neue BND-Zentrale in Berlin ab. Jetzt stellt sich heraus: Die Unterlagen offenbaren wohl weitaus brisantere Details als bisher bekannt. Und nicht nur diese Affäre bringt den BND-Chef derzeit in die Bredouille. Ein Intimus Uhrlaus' soll sich aus dem Internet pikante Inhalte heruntergeladen haben - womöglich ein Einfallstor für Cyber-Attacken.

Alles andere als harmlos: Entgegen anderslautender BND-Angaben enthalten die verschwundenen Baupläne für die neue Zentrale des Bundesnachrichtendienstes nach Informationen des Magazins Focus doch sicherheitsrelevante Einzelheiten. Die Zeichnungen zeigten Einzelheiten über Laboratorien, Einzelbüros und ein großes Spezialarchiv. Zudem gebe es präzise Angaben über Sicherheitsschleusen, Spezialverglasungen, Notausgänge sowie "Einbruchshemmungen".

BND-Chef Uhrlau in der Bredouille: Die verschwundenen Baupläne für die neue BND-Zentrale sollen weitaus brisantere Informationen enthalten, als der BND bislang einräumt. (Foto: REUTERS)

BND-Präsident Ernst Uhrlau hatte dagegen öffentlich erklärt, es sei kein wirklich brisantes Material in unbefugte Hände gelangt. In dem von dem möglichen Informationsleck betroffenen Gebäudeteil - der Nordbebauung - sind nach den Planungen der Architekten unter anderem ein Parkhaus, die Warenanlieferung, die Küche, ein Kraftwerk und Büroarbeitsplätze untergebracht.

Die rätselhaft verschwundenen Baupläne haben den deutschen Geheimdienst bei seinen westlichen Partnerdiensten bereits in einen "gewissen Misskredit" gebracht. So schilderte ein hochrangiger Angehöriger der CIA am Freitag in Washington stellvertretend für andere Dienste die Lage, nachdem BND-Präsident Ernst Uhrlau das Verschwinden der Pläne zugeben musste. Uhrlau spiele zwar den Vorgang herunter, "aber das nutzt ihm gar nichts, weil er für seinen Dienst absolut die politische Verantwortung trägt. So etwas darf einfach nicht passieren", sagte der CIA-Mann.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel zufolge ist die Geheimhaltung für die Baupläne insgesamt lückenhaft. Der Spiegel habe vertraulich eingestufte Zeichnungen einsehen können, auf denen Abschnitte des Hauptgebäudes klar zu erkennen waren - darunter Grundrisse von Laboratorien und Büros. Eine für den BND-Neubau tätige Firma habe von ihren Unterlagen ein paar hundert Kopien für Bauleiter und Subunternehmer angefertigt, schreibt das Magazin.

Die SPD will wegen der entwendeten Baupläne führende Regierungsmitglieder vor das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zitieren. Der Vorsitzende des geheim tagenden Gremiums, SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, bezeichnete am Sonntag in Berlin die neuen Details über die Pannen am BND-Bau als "verwirrend und ärgerlich". Die SPD erwarte hier eine lückenlose Aufklärung.

Nach der Sommerpause sollen Oppermann zufolge Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) und Bauminister Peter Ramsauer (CSU) im Kontrollgremium Rede und Antwort stehen. Das Kanzleramt sei für die Koordinierung der Geheimdienste zuständig, das Bauministerium trage Verantwortung für den Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin, sagte Oppermann zur Begründung.

Streng geheim: Trotzdem verschanden Baupläne für den BND-Neubau spurlos. (Foto: dpa)

PKGr-Mitglied Wolfgang Neskovic von der Linksfraktion im Bundestag sagte, die Sachlage sei momentan noch völlig ungeklärt. Die Darstellung des BND unterscheide sich maßgeblich von der des Focus. Sollte sich die Darstellung des Magazins als richtig herausstellen, "steht Uhrlau selbstverständlich in der politischen Verantwortung", sagte Neskovic. Der Präsident müsse dann für schwere Fehltritte seiner Behörde einstehen. Das gelte insbesondere dann, wenn es sich dabei um Organisationsversäumnisse handelt.

BND-Chef Uhrlau geht Ende des Jahres in Pension. Während seiner gesamten Karriere habe er sich durch "bemerkenswerte politische Überlebensfähigkeit" ausgezeichnet, so Neskovic. Er habe nicht nur den BND-Untersuchungsausschuss und verschiedene Schlappen des Dienstes in seiner Amtszeit überstanden, sondern als SPD-Mann auch den Regierungswechsel 2009. Seine Fähigkeit, "Zuhörer mit freundlicher Miene und sanfter Stimme Wortgirlanden um die Ohren zu wickeln, ist legendär", sagte Neskovic.

Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), sagte, es müsste ein Weg gefunden werden, damit man die BND-Baupläne einsehen könnte. Erst dann könnte man ein Urteil fällen, ob sie tatsächlich brisant sind. Uhrlau persönlich habe zugegeben, die Pläne selber nicht zu kennen.

Rund 4000 Mitarbeiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes sollen in einigen Jahren in der "modernsten Geheimdienstzentrale Europas", wie der BND das Gebäude nennt, auf 260.000 Quadratmeter Fläche arbeiten. Der Umzug von Pullach bei München und verschiedenen anderen Dienststellen nach Berlin war zuletzt auf Anfang 2014 verschoben worden. Die Gesamtkosten werden inklusive des Umzugs auf knapp 1,5 Milliarden Euro geschätzt.

Aus Kreisen des BND erfuhr die Nachrichtenagentur dapd, dass die Angehörigen des Geheimdienstes über einen weiteren Vorfall "sehr betreten sind". Bei einer Routineüberprüfung im März stießen nach Angaben des Focus Digital-Spezialisten auf pikante Inhalte. Ein hoher Beamter, der von Uhrlau gefördert wurde und als sein "Intimus" gilt, soll via Ebay nicht nur private Einkäufe erledigt, sondern sich auch Pornos heruntergeladen haben.

Brisant: BND-Angehörige dürfen das Internet auf keinen Fall privat nutzen. Das Kanzleramt unterrichtete umgehend das Parlamentarische Kontrollgremium. Die Besorgnis ist deswegen so groß, weil das Verhalten des Beamten Cyber-Attacken auslösen könnte. "Das wäre für den BND dann der GAU", sagte ein Angehöriger des Dienstes. Als einer seiner schwersten Fehler wird Uhrlau in seiner Amtszeit, die er vor sechs Jahren begonnen hatte, die jahrelange umfangreiche Bespitzelung von kritischen Journalisten und die Einsetzung von Spitzeln in der Medienbranche vorgehalten. Er wollte damit Lecks im BND aufdecken.

Ein Desaster für den BND unter Uhrlau war 2006 auch die ungesetzliche Ausspähung des E-Mail-Verkehrs der Spiegel-Redakteurin Susanne Koelbl in Afghanistan mit dem afghanischen Handelsminister Amin Farhang gewertet worden.

© sueddeutsche.de/dapd/AFP/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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