Autoindustrie:Gabriels Chance

Ex-Minister als Lobbyist? Das ist nicht unbedingt verwerflich.

Von Angelika Slavik

Wäre es ehrenrührig, wenn Sigmar Gabriel oberster Autolobbyist des Landes würde? Nein, wäre es nicht. Natürlich haben Politiker eine besondere Verantwortung, die nicht mit ihrer Amtszeit endet. Wenn sich Ex-Kanzler Schröder an Wladimir Putin anbiedert, stellt das sein Bekenntnis zu demokratischen Grundwerten infrage. Wenn Ronald Pofalla während der Amtszeit als Kanzleramtsminister seinen Wechsel zur Deutschen Bahn organisiert, zeugt das von verstörendem Moralempfinden. Bei Gabriel ist die Lage komplizierter.

Als Wirtschaftsminister verantwortete er gesetzliche Rahmenbedingungen für genau die Konzerne, deren Interessen er künftig vertreten könnte. Im Nachhinein muss er sich fragen lassen, ob er dabei streng genug war, gerade mit Blick auf den Abgasbetrug. Bloß: Auch Ex-Wirtschaftsminister haben das Recht, nach ihrer Amtszeit einen Job anzunehmen.

Die Autoindustrie hat ihren schlechten Ruf hart verdient. Das heißt aber nicht, dass Gabriel in der Funktion zwingend zum Vertreter des Bösen mutiert. Bestenfalls könnte er der Branche das Verständnis für gesellschaftliche Verantwortung zurückbringen, das sie zuletzt hat vermissen lassen. Er hätte die Chance zu beweisen, dass man beides sein kann: Repräsentant der Autoindustrie und Mensch mit Moral.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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