Ausstellung: Politiker-Fotos:Echt, nah, ungeschminkt

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Ungewohnt persönlich sind deutsche Abgeordnete in einer Foto-Ausstellung im Bundestag zu sehen. Fotografen begleiteten sie in ihren Wahlkreisen und machten eindrucksvolle Aufnahmen.

E. Roll

Erst denkt man: Da schau her, groß aufgeblasene Starfotos von Bundestagsabgeordneten. Das also auch noch. Wer dann etwas genauer hinsieht, versteht möglicherweise, dass alles ganz anders ist. Schwarzweiß ist etwas ganz anderes als bunt. Analoge Fotografie ist tiefer, sinnlicher und wahrhaftiger als digitale.

(Foto: Foto: studio kohlmeier)

Und fotografische Porträts aus den Wahlkreisen unserer Abgeordneten erzählen vollkommen andere und sehr viel menschlichere Geschichten als knallbunte Grinsrüben-Schnappschüsse von den üblichen Politik-Inszenierungen aus dem Berliner Durchlauferhitzer.

Das ist das eigentlich Erstaunliche an Angelika und Bernd Kohlmeiers 48 Abgeordneten-Porträts, die bis zum 28. Februar unter dem Titel "Politik ungeschminkt" im Kunstraum des deutschen Bundestages (Marie-Elisabeth-Lüders-Haus) ausgestellt sind: Der große Gegensatz zwischen den Bedingungen ihres Entstehens und der Wahrnehmung des Betrachters. An diesen "Starfotos" ist nichts inszeniert, gestellt oder arrangiert, nicht einmal künstlich beleuchtet.

"Vorhandenes Licht ist gutes Licht", sagt Angelika Kohlmeier. Jeweils zwei bis vier Tage sind sie und ihr Mann in den Monaten vor der Bundestagswahl des Jahres 2009 mitgereist in die Wahlkreise von 16 Bundestagsabgeordneten aus Nord, Süd, West und Ost. 11000 Kilometer sind sie gefahren. Und ein Navigationsgerät haben sie sich schließlich auch gekauft, weil sie sonst nicht hinterhergekommen wären, wenn die Route wieder einmal geändert wurde. Sie haben sich Zeit genommen. Sie waren einfach immer dabei. Und sie haben auf den richtigen Moment gewartet.

Die Fotografien wurden dann - wie früher - von Hand entwickelt und auf 50 mal 60 Zentimeter Papierformat vergrößert. Und weil unsere Sehgewohnheiten in der flachen, bunten und gerechneten Welt der Digitalfotografie etwas abgeschrubbt und stumpf geworden sind, entsteht dieser Wow-Starfotos-Effekt.

Die beiden Fotografen haben bei ihrem Projekt eine Menge gelernt über Deutschland und seine Abgeordneten. Angelika Kohlmeier sagt es so: "Die machen da wirklich alle eine richtige, knallharte Kärrnerarbeit in ihren Wahlkreisen."

Die Ausstellung kann man also gewissermaßen als ein Doppelplädoyer interpretieren: Eines für das alte Handwerk und die Kunst der analogen Schwarzweiß-Fotografie in Zeiten von Handykameras, Umsonstbildern, Flickr und Leserreportern. Und noch ein Plädoyer dafür, dass Abgeordnete womöglich doch etwas ganz anderes sind, als nur diätenverzehrende und lobbyistenhörige Die-da-oben.

Norbert Lammert, der unter der Überschrift "Kein Vorwort" einen kleinen Text zum (von My Fotobook gesponserten) Katalog geschrieben hat, sagt es so: "Auf Fotos sehen die Menschen oft anders aus, als sie in Wirklichkeit sind. Manchmal sieht man auf Fotos, wie sie wirklich sind."

© SZ vom 02.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Ausstellung in Berlin
:"Politik ungeschminkt"

Eine Foto-Ausstellung im Bundestag zeigt namhafte deutsche Politiker in authentischen Lebenssituationen und Momenten. Eindrucksvolle Aufnahmen in Schwarzweiß.

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