Aufstand in Ägypten:Muslimbrüder wollen EU als Vermittler akzeptieren

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Proteste in Kairo: Die Muslimbrüder fordern, dass Mursi seinen Posten zurückbekommt (Foto: dpa)

Bislang zeigten sich die Muslimbrüder in Ägypten kompromisslos. Nun sind die Islamisten aber bereit, die EU als Vermittler zu akzeptieren. Doch die Macht des Militärs ist nahezu unkontrollierbar und die Demonstrationen dauern an. Die Chance auf eine Versöhnung schwindet.

Von Tomas Avenarius und Sonja Zekri, Kairo

Die Muslimbruderschaft ist bereit, in ihrem Konflikt mit der Armee und der neuen Regierung nach der Entmachtung ihres Präsidenten Mohammed Mursi die Europäische Union als Vermittler zu akzeptieren. Die EU-Außenbeauftragte ist "einer der Vermittler im In- und Ausland", die einen Kompromiss zwischen den Islamisten und den neuen Machthabern suchen, sagte Mohammed el-Beltagi, einer der Funktionäre der Muslimbruderschaft-Partei "Freiheit und Gerechtigkeit" der Süddeutschen Zeitung. Ashton habe bei ihrem Besuch in Kairo - anders als zuvor US-Chefdiplomat William Burns - mit Vertretern der Islamisten sprechen können, darunter mit Ex-Ministern und dem ehemaligen Premierminister Hischam Kandil.

Ashton hatte von der neuen Regierung Mursis Freilassung gefordert. Der Ex-Präsident wird derzeit an einem unbekannten Ort festgehalten, "weder seine Familie, noch sein Anwalt oder auch nur sein Arzt dürfen zu ihm", so Beltagi. Ashton habe von den Muslimbrüdern allerdings verlangt, dass sie die Entmachtung Mursis akzeptieren: "Das lehnen wir ab." Die Islamisten fordern die Wiedereinsetzung ihres Präsidenten, des Oberhauses des Parlaments und der Verfassung von 2012, dann könne man über ein Referendum reden und Neuwahlen, so Beltagi.

Unkontrollierte Macht in den Händen des Militärs

Für das Militär, das seit der Entmachtung Mursis eine nahezu unkontrollierte Machtfülle in den Händen hat, kommt dies nicht in Frage. Vor den Massendemonstrationen für und gegen Mursi am Freitag warnte es, wer den Pfad friedlicher Demonstrationen verlasse, riskiere sein Leben. Die Unterschriften-Aktion "Tamarod", die mit ihrer Kampagne die Entmachtung Mursis ins Rollen gebracht hatte, demonstrierte unter dem Motto "Das Volk gegen den Terrorismus". Für sie sind Muslimbrüder, Islamisten insgesamt "Terroristen". Insofern ist schwer zu sehen, wie die von allen Seiten und zuletzt von Übergangspräsident Adli Mansur beschworene "Nationale Versöhnung" zustande kommen soll.

Ohnehin sind nicht alle glücklich damit, dass die verfeindeten Lager Vermittler in Anspruch nehmen, zumal aus der EU. Dies sei ein Zeichen der Schwäche Ägyptens. Zu Zeiten Mubaraks habe das US-Außenministerium zwar die Verfolgung der Opposition kritisiert und harsche Noten verfasst, "aber es ging nie soweit, dass wir Vermittlungsangebote bekamen", zitieren Medien einen ägyptischen Diplomaten.

Geld von den konservativen Monarchen

Erfreut über den Mursi-Sturz sind die konservativen Monarchen am Golf: Dies zeigt die Geldspritze, die Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Bahrain nach dem Kairoer Machtwechsel versprochen haben: Insgesamt sollen umgerechnet zwölf Milliarden Euro fließen. Das ist weit mehr als Katar, Libyen und die Türkei ihrem Verbündeten, dem Muslimbruder Mursi, zugesagt hatten. Mit dem Geld kann die neue Regierung die Wirtschaft ankurbeln und soziale Härten abmildern: Die Sympathie vieler Ägypter für die Muslimbrüder beruhte auf dem Versprechen einer gerechteren Sozialpolitik. So wird der Sturz der Kairoer Islamisten Teil des Kampfes zwischen den arabischen Staaten, die sich im "Arabischen Frühling" auf die Seite der Aufständischen oder gegen sie gestellt hatten.

Saudi-König Abdallah hatte den Islamisten den Sturz Hosni Mubaraks nie verziehen, der König von Bahrain hatte den Aufstand in seinem Land niederschlagen lassen. Auch Kuwaiter und Emiratis sind konservativ, fürchten die anti-monarchistische Politik der Bruderschaft. Ein israelisches Analyse-Institut behauptet, die Geheimdienste der Saudis und der Vereinigten Emirate hätten den ägyptischen Putschisten zugearbeitet, was aber nicht belegt ist.

Was immer die USA in Nahost tun, ist falsch

Vorläufiger Verlierer in der neuen Runde des angeblichen "Arabischen Erwachens" ist das Emirat Katar, es hatte sich fast als Außenstelle der Muslimbruderschaft in Ägypten und in Syrien gegeben. Auch die Türkei, die zum Zorn der neuen Kairoer Führung an Mursi "als unserem Präsidenten" festhält, verliert an Einfluss durch den Rollback im größten Land der arabischen Welt. Noch härter trifft es die Hamas-Islamisten im Gaza-Streifen: Die Politik der Energiehilfen und der offenen Grenze auf dem Sinai, die Mursi gegenüber dem militanten palästinensischen MB-Ableger betrieben hatte, wird Ägyptens Armee nicht länger dulden.

Diese konservative Koalition zwischen dem Golf und Ägypten besteht zwar aus klassischen Verbündeten der USA. Aber Washington wird kaum profitieren: Was immer die USA in Nahost tun, ist falsch. Sie haben an der demokratisch legitimierten Mursi-Regierung eine Weile festgehalten, was ihnen die Islamisten-Gegner ankreiden. Die Muslimbrüder verbreiten, Washington hätte sich mit den Putschisten verschworen. Auch am Golf herrscht wenig Sympathie: Die USA verweigern den syrischen Aufständischen militärische Unterstützung. Saudis, Emiratis, Bahrainis und Kuwaiter aber wollen Syriens Diktator Baschar al-Assad stürzen sehen. Er ist der Verbündeten ihres Feindes: Iran. Um die Kairoer Generale zu stützen, könnten die Golfstaaten das wichtigste US-Druckmittel neutralisieren: Sollte Washington die 1,2 Milliarden Euro Militärhilfe für Ägypten streichen, könnten die Scheichs einspringen.

© SZ vom 20.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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