Auflagen:Wider die staatlichen Ausbeuter

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Die Arbeitsbedingungen geraten zunehmend ins Visier: Schuhfabrik in Qingdao in der ostchinesischen Provinz Shandong. (Foto: AFP)

Die EU will künftig strenger gegen den Handel mit Produkten vorgehen, die Zwangsarbeiter herstellen mussten. Das könnte China schwer treffen.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Man sieht den Turnschuhen den Horror nicht an. Das Auto erzählt nicht von den unmenschlichen Bedingungen, unter denen manche seiner Bauteile entstanden sind. Die Einweghandschuhe im Krankenhaus verraten nichts über die modernen Sklaven, die sie hergestellt haben. Zwangsarbeit ist noch immer ein weltweites Problem, eines, über das Unternehmen, Kunden und Behörden zu wenig wissen. 27,6 Millionen Menschen weltweit arbeiten unter Zwang, schätzt die Internationale Arbeitsorganisation ILO. Mehr als die Hälfte von ihnen wird demzufolge in Asien und Ozeanien ausgebeutet. Nicht zuletzt in China.

In der Europäischen Union sollen Produkte aus Zwangsarbeit möglichst ganz verschwinden. Nach der Sommerpause vor bald acht Monaten schlug die EU-Kommission ein Verkaufsverbot für Produkte vor, an deren Herstellung Zwangsarbeiter beteiligt waren. Die Verordnung liegt derzeit noch im Ministerrat, also dem Gremium der Mitgliedstaaten, und im EU-Parlament. Noch sieht es danach aus, als könnte sie vor der Europawahl 2024 in Kraft treten. Mit gewaltigen Folgen für Importe aus China.

Nach dem Gesetz sollen Behörden der Mitgliedstaaten Informationen sammeln und untersuchen, ob bei bestimmten Waren das Risiko besteht, dass Hersteller oder Zulieferer Zwangsarbeiter beschäftigen. Dazu soll auch eine Datenbank zu besonders betroffenen Gütern entstehen. Verdachtsmomente gegen ein Unternehmen oder Produkt hätten dann Behördenbesuche im Ausland zu Folge. Kann eine Firma die Vorwürfe nicht entkräften, verbieten die Behörden den Verkauf in der EU sowie Im- und Exporte. Kooperiert ein Land nicht bei der Informationsbeschaffung, wie es etwa in der chinesischen Provinz Xinjiang zu erwarten ist, sollen die Behörden trotzdem Verbote verhängen können, falls ein Verdacht hinreichend belegt ist.

In Zukunft bräuchte es deutlich mehr Informationen aus China

Zusammen mit dem deutschen Lieferkettengesetz, das seit Jahresanfang gilt, und seiner Entsprechung auf EU-Ebene kommt damit auch eine Menge Arbeit auf Berater und Lieferketten-Detektive zu. Menschen also, die im Auftrag von Unternehmen etwa in China Informationen beschaffen darüber, wie sauber oder unsauber die Lieferketten sind. In Zukunft bräuchte es also deutlich mehr Informationen aus China. Die chinesischen Behörden aber werden immer restriktiver, bis hin zu Verhaftungen von Beratern.

Die Verhandlungen zum EU-Lieferkettengesetz sind schon etwas weiter fortgeschritten als jene zum Zwangsarbeitsverbot. Es geht über die deutsche Version deutlich hinaus, umfasst mehr Unternehmen und schreibt strengere Pflichten vor. Die Richtlinie verlangt, dass Firmen bei der kompletten Lieferkette auf Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltverschmutzung achten und diese abstellen. Voraussichtlich wird sich das EU-Parlament Ende Mai auf eine Position zu dem Text der Verordnung verständigen. Unter spanischer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr würden dann Verhandlungen zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten stattfinden können.

Der deutschen Außenhandelskammer in China zufolge ist es noch zu früh, um abzuschätzen, wie gefährlich es für deutsche Unternehmen in China künftig werden wird. "Anfangs gab es große Skepsis auf chinesischer Seite", sagt AHK-China-Vorstand Jens Hildebrandt. Seinem Eindruck nach setze nun ein Perspektivwandel ein. "Die chinesischen Lieferanten haben Interesse daran, weiter nach Deutschland liefern zu können. Wir dürfen nie vergessen, dass es eine gegenseitige Abhängigkeit gibt."

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