Atomstreit des Westens mit Iran:Gefahren des Großen Propheten

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Die USA reagieren mit kaum verhüllten Drohungen auf Irans Provokationen. Es sind diplomatische Signale, die nahelegen, dass Washington ernsthaft mit militärischen Störfeuern des Landes rechnet. Zu einer neuen Kraftprobe dürfte es bald kommen: Für Februar hat Iran ein Manöver im Golf avisiert.

Paul-Anton Krüger

Es ist reichlich ungewöhnlich, dass Geheimdiplomatie in der Zeitung ausgebreitet wird. Was am Freitag auf der Titelseite der New York Times zu lesen stand, war dort wohl kaum zufällig erschienen: Die US-Regierung habe dem Obersten Führer in Iran, Ayatollah Ali Chamenei, über geheime Kanäle eine Warnung zukommen lassen. Eine Blockade der Straße von Hormus sei eine "rote Linie" für die USA, zitiert das Blatt Regierungsquellen.

Die USA bereiten sich auf militärische Provokationen Irans vor. (Foto: dpa)

Sollte Iran seinen Drohungen Taten folgen lassen, werde dies "eine Antwort Amerikas" nach sich ziehen - die kaum verhüllte Drohung, die Meerenge notfalls mit militärischen Mitteln offenzuhalten. Das hatten auch zuvor schon einige Regierungsvertreter so formuliert. Der Vorgang ist dennoch in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert.

Er legt nahe, dass Washington ernsthaft zumindest mit militärischen Provokationen Irans rechnet. Eine Blockade der Meerenge gilt dem US-Militär zwar weiterhin als unwahrscheinlich - Iran würde sich damit selbst eine seiner Lebensadern abschnüren. Allerdings könnte die im Golf operierende Marine der Revolutionsgarden mit kleineren Operationen den Schiffsverkehr empfindlich stören: Sie hat jüngst bei einem Manöver ganze Schwärme kleiner Schnellboote zur Schau gestellt, die zum Teil mit modernen Antischiffsraketen ausgerüstet sind. Sie hat mobile Raketenwerfer an der Küste der mancherorts kaum mehr als 50 Kilometer breiten Verbindung zwischen Persischem Golf und dem Golf von Oman in Stellung gebracht. Seeminen, schnell zu legen und billig, sowie U-Boote könnten ebenso eingesetzt werden.

Der Ölfluss aus dem Golf, etwa 20 Prozent der Weltproduktion, würde wohl nicht versiegen - der Rohstoff könnte aber unerträglich teuer werden. Iranische Offizielle malen schon Preise von 250 Dollar pro Fass an die Wand, mehr als doppelt so viel wie im Moment. Das Regime in Teheran sieht den drohenden Ölboykott des Westens und die US-Sanktionen gegen seine Zentralbank als "Wirtschaftskrieg". Die Drohungen zielen darauf, es dem Westen mit gleicher Münze heimzuzahlen: Kostet das Fass Öl dauerhaft mehr als 150 Dollar, droht der Wirtschaft schwerer Schaden.

Glaubwürdigkeit ist das höchste Gut in diesem Nervenkrieg. Wenn die Warnung an Chamenei öffentlich gemacht wird, ist das eine Botschaft an die Welt - und die Ölmärkte. Zum Eindruck der Entschlossenheit wird beitragen, dass die USA einen zweiten Flugzeugträger samt Begleittross ins Arabische Meer schicken, auch wenn Washington das zur Routinemission herunterspielt. Zugleich verstärkte das Pentagon sein Kontingent in Kuwait auf etwa 15.000 Mann. Manche Einheiten wurden aus Irak dorthin verlegt, andere aus den USA. Großbritannien setzte zudem sein modernstes Kriegsschiff Richtung Golf in Marsch, den Zerstörer HMS Daring. Zu einer neuen Kraftprobe dürfte es bald kommen: Für Februar hat Iran das Manöver "Großer Prophet 7" im Golf avisiert.

Notfallpläne für den Fall der Fälle

Um einem Ölpreisschock vorzubeugen, haben 28 der Internationalen Energieagentur angehörende Industriestaaten Notfallpläne aufgelegt. Sie könnten notfalls bis zu 14 Millionen Fass pro Tag aus strategischen Reserven auf den Markt werfen. Das ließe sich vier Wochen lang durchhalten - genug Zeit, um eine mögliche Blockade militärisch zu brechen. Die Vereinigten Arabischen Emirate stellen zwar gerade eine Pipeline an den Golf von Oman fertig, und Saudi-Arabien verfügt über Leitungen ans Rote Meer. Die können aber die 16 Millionen Barrel, die pro Tag durch die Straße von Hormus verschifft werden, nicht ersetzen.

An der US-Warnung an Chamenei lässt sich noch etwas anderes ablesen: Offenbar ist Washington zur Überzeugung gelangt, dass Irans Oberster Führer die konfrontative Linie stützt. Es hatte jüngst immer wieder Drohungen aus Teheran gegeben, denen regelmäßig Relativierungen folgten, etwa durch Außenminister Ali Akbar Salehi. Nun haben sich offenbar die Hardliner aus dem Sicherheitsapparat durchgesetzt, zuvorderst die Revolutionsgarden. Chameneis Büro bestimmt die Politik in der Sanktions- und Atomfrage, die Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad scheint zum Zuschauen verdammt zu sein.

Interessiert nahmen Diplomaten daher zur Kenntnis, dass ausgerechnet Ali Laridschani bei seinem Türkei-Besuch verkündete, Iran nehme die Einladung seiner Gastgeber zu neuen Gesprächen mit den fünf Vetomächten des UN-Sicherheitsrats und Deutschland an. Laridschani ist Parlamentssprecher und ein enger Vertrauter Chameneis. Solche Gespräche, sagen westliche Diplomaten, werde es aber nur geben, wenn Iran ernsthaft bereit sei, über sein Atomprogramm zu reden.

Auf einen Brief mit einer solchen Zusage aus Iran wartet die EU-Außenbeauftragte Catherin Ashton bis heute. Doch der muntere Reisebetrieb der vergangenen Tage zwischen Ankara und Teheran lässt vermuten, dass auch dort Geheimdiplomatie im Gange ist - die noch nicht vor der Welt ausgebreitet werden soll.

© SZ vom 14.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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