Atommüll:Der weite Weg des Urans

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Auch eine deutsche Firma lieferte mit Wissen der Behörden tausende Tonnen Uran nach Sibirien. Das hochgiftige Material wird unter freiem Himmel gelagert.

Paul-Anton Krüger

Jochen Stay ist nicht verlegen um starke Worte. "Die deutschen Stromkonzerne entsorgen ihren Atommüll seit Jahren illegal in Sibirien", sagt der Antiti-Atomkraft-Aktivist von der Organisation "Ausgestrahlt", nachdem die Libération über Lieferungen der französischen Atomindustrie in die russische Atomanlage Sewersk berichtet hatte.

Gleich der Mafia in Italien kippe die Atomindustrie ihren Müll "einfach irgendwohin". Doch der vermeintliche Skandal, den Stay auf eine Stufe mit den Zuständen im Salzstock Asse hebt, ist seit Jahren bekannt - und nach Ansicht der deutschen Behörden wie der beteiligten Firmen geht alles mit rechten Dingen zu.

Vor allem die Firma Urenco, Betreiberin der Urananreicherungsanlage in Gronau, aber auch der Energiekonzern RWE und Siemens lieferten Tausende Tonnen abgereichertes Uran nach Russland, was detailliert in der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linkspartei aus dem Jahr 2007 dokumentiert ist.

Es handelt sich dabei nicht um Müll aus Atomkraftwerken, das Material fällt bei der Anreicherung von Uran an. Für Brennstäben muss der Anteil des spaltbaren Isotops Uran 235 von 0,7 Prozent in Natururan auf 3,6 Prozent angehoben werden.

Dabei entstehen große Mengen abgereichertes Uran, das deutlich weniger stark strahlt als Natururan, als Schwermetall aber hochgiftig ist. Während Atomkraftgegner von "Atommüll" sprechen, sehen Behörden und Firmen darin einen Wertstoff. Das ist keine Wortklauberei, sondern hat atomrechtliche Konsequenzen: Atommüll müsste in einem Endlager untergebracht werden, das es in Deutschland bisher nicht gibt.

Bislang wurde das Material - völlig legal - nach Russland geliefert, um wieder auf das Niveau von Natururan angereichert zu werden. Dieser Prozess ist allerdings nicht sehr effektiv, etwa so, als wolle man einer ausgepressten Orange noch ein paar Tropfen Saft entwringen. Der Vorteil an dem Geschäft: Das abgereicherte Uran aus diesem Prozess - mehr als 700 Kilo pro Tonne - geht in den Besitz der russischen Firma über und bleibt damit in Sibirien.

Dort wird es wie auch in Gronau und laut Bundesregierung "international üblich" in Stahlfässern unter freiem Himmel gelagert. Vorwürfe, dass die Gebinde in Sewersk vor sich hinrosten und Tausende Tonnen des Materials verschwunden seien, haben russische Umweltaktivisten bereits vor Jahren erhoben, Belege dafür fehlen jedoch.

Herwig Paretzke, emeritierter Direktor des Instituts für Strahlenschutz der Helmholtz-Gemeinschaft in München hat gegen die Lagerung im Freien "keine Bedenken". Die Gefäße müssen Sicherheitsnormen der Internationalen Atomenergiebehörde entsprechen. Laut Paretzke könnte man das schwachradioaktive Material auch in den Bergwerken einlagern, in denen es gewonnen wurde. Urenco hat die Lieferungen nach Russland inzwischen eingestellt und lagert das abgereicherte Uran in Gronau.

© SZ vom 16.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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