Atomdebatte:Röttgen setzt auf Angriff

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Bislang galt er als Minister der sanften Töne. Doch nun zeigt Norbert Röttgen erstmals Gestaltungswillen - mit klaren Worten zur Zukunft der Kernenergie.

Wolfgang Roth

Er war ein Minister der sanften Töne, der schönen Sätze und der wohlklingenden Ziele. Ein Neuling im Bundeskabinett tut vielleicht ganz gut daran, nicht gleich zu Beginn anzuecken und zusätzliche Konfliktlinien einer schwarz-schwarz-gelben Koalition offenzulegen.

Deutlich statt sanft: Norbert Röttgen äußert seine Vorstellungen zur Zukunft der Atomenergie. (Foto: Foto: dpa)

Doch diese Phase hat Norbert Röttgen nun beendet - mit deutlichen Worten zur Zukunft der Kernenergie in Deutschland. Wie die Reaktionen auf das SZ- Interview vom Samstag zeigen, ist damit der Diskurs, auch der Streit über das künftige Energiekonzept der Union und der Regierung eröffnet.

Hat Röttgen seine Attacke ohne die Rückendeckung durch Angela Merkel geritten? Dann hätte er eine Tapferkeitsmedaille verdient. Er war ihr Mann, auch ihr Mann für die Umwelt.

Gemeinsam haben sie auf der Klimakonferenz in Kopenhagen am Katzentisch gesessen; höchste Zeit also, dass die einstige "Klimakanzlerin" einen Beleg dafür erbringt, eine Partei auch mit umweltpolitischer Kompetenz anzuführen. Personen mit Ausstrahlung, die dafür stehen, sind dünn gesät in der Union. Sie dürfen die Grundsatzprogramme prägen, aber nicht die Politik.

So einer könnte Norbert Röttgen werden, der Mann der sanften Töne. Einer, der dazu beiträgt, dass sich die Volkspartei von der babylonischen Knechtschaft befreit, vom Ruch der ewigen Atompartei, von der Fesselung an eine Technik, die nach vier Jahrzehnten immer noch nicht ausreichende Akzeptanz in der Bevölkerung hat.

"Alles nur Kalkül", meinen die Politiker der Oppositionsparteien und wittern die Taktik, Stimmen für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu fangen und sich dort und auf lange Sicht auch bundesweit die Option auf schwarz-grüne Koalitionen offenzuhalten. Aber die Wähler sind nicht dumm.

Zäsur statt Brücke

In ein paar Monaten weit hinter seine neue Position zurückzufallen wäre für Röttgen angesichts einer so brisanten Materie mit hohem Risiko verbunden. Zudem hinterlässt eine Grundsatzdebatte, wie sie nun unvermeidlich ist, immer Spuren in einer Partei; sie wird am Ende nicht dieselbe sein wie vorher.

So klare Worte hat man lange nicht vernommen in der Union: Während viele in seiner Partei von der Kernkraft gerne als "Brückentechnologie" reden, um diese Brücke so lange wie irgend möglich zu begehen, setzt Röttgen klare Grenzen. Mehr als 40 Jahre Laufzeit seien von der Auslegung der Reaktoren her sowieso nicht drin, es bedürfte sonst einer "Zäsur", einer grundsätzlichen Neubewertung der Sicherheit.

Und vorher? Es kommt darauf an, sagt Röttgen, und zwar nicht nur auf den Standard der Kraftwerke, sondern primär in Abhängigkeit von vielen kleinen Schritten, auf das große Ziel, die Erschließung erneuerbarer Energiequellen.

Wer das für überstürzt hält, muss sich vergegenwärtigen, dass die Kernenergie in Deutschland schon seit 20 Jahren Brückentechnologie ist: So lange ist es her, dass der letzte Reaktor in Betrieb ging.

Der Umweltminister hat eine sehr nüchterne Meinung von jenem Deal mit den Stromkonzernen, der in der Öffentlichkeit längere Laufzeiten plausibel machen soll. Dass die Unternehmen einen Teil ihrer Erlöse abgeben sollen, um damit die effizientere und klimafreundlichere Nutzung der Energie voranzubringen, sieht er als verfassungsrechtlich fragwürdige Abschöpfung von Gewinnen an.

Da hat er recht: Der Staat ist dazu da, die Sicherheit der Reaktoren zu bewerten und Monopolstrukturen zu verhindern. Er hat aber nicht die Aufgabe, der Wirtschaft vorzuschreiben, wie sie legale Einnahmen verwendet. Bei dieser Konstruktion provoziert jede Laufzeitverlängerung den Verdacht, dass die Behörden schon mal ein Auge zudrücken, um an das Geld zu kommen.

Norbert Röttgen hat die Richtung vorgegeben. Dass ihm die Kanzlerin nun in den Rücken fällt, ist unwahrscheinlich. Er ist ihr Mann, es fiele deshalb auf sie selbst zurück.

© SZ vom 08.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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