Atomabkommen:Iran verschärft den Nervenkrieg

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  • Iran hat nach eigenen Angaben erste Schritte unternommen, um künftig fortgeschrittene Zentrifugen zur Urananreicherung zu bauen.
  • Der Chef des iranischen Atomprogramms betont, dass Teheran damit nicht die Bestimmungen des Atomabkommens verletzte.
  • Tatsächlich gibt es in Iran eine heftige Debatte darüber, ob das Land an dem Abkommen festhalten soll oder nicht.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Irans Oberster Führer Ayatollah Ali Chamenei hatte den Schritt am Montag angekündigt. Am Dienstag informierte die Atomenergie-Organisation des Landes die Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Iran habe damit begonnen, Infrastruktur zum Bau fortgeschrittener Zentrifugen zur Urananreicherung in seiner Anlage in Natans zu installieren, sagte Ali Akbar Salehi, der Chef des iranischen Atomprogramms und zugleich Vizepräsident der Islamischen Republik. Die IAEA sei darüber in einem Brief unterrichtet worden.

Salehi betonte, damit verletze Iran nicht die Bestimmungen des Atomabkommens, über dessen Erhalt Teheran gerade mit den Europäern, China und Russland verhandelt, nachdem US-Präsident Donald Trump den Ausstieg verkündet hatte. Laut Salehi bedeutet das auch nicht das Ende dieser Gespräche.

Aber Iran erhöht den Druck, verschärft den Nervenkrieg - Ausgang offen. Reaktionen aus europäischen Hauptstädten gab es zunächst nicht. Die EU kündigte lediglich an, Experten prüften Irans Ankündigung. Israel dagegen verurteilte sie sofort. Premier Benjamin Netanjahu, gerade auf Europa-Tour, sagte, Iran wolle "ein Arsenal von Atombomben" produzieren, um Israel zu zerstören.

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Geheimdienstminister Israel Katz drohte, wenn Iran das Programm zur Entwicklung von Atomwaffen wiederaufnehme, werde "eine internationale Koalition unter US-Führung Iran vorwarnen und dann militärisch angreifen". Auch Trump hat mit "sehr ernsten Konsequenzen" gedroht. Und Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sprach von "Zeichen für Massenhysterie und Panik innerhalb der iranischen Führung".

Tatsächlich gibt es in Iran eine heftige Debatte darüber, ob das Land an dem Abkommen festhalten soll oder nicht. Chamenei sprach in seiner Rede zum 29. Todestag des Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Chomeini davon, es sollten Vorbereitungen getroffen werden, um die Anreicherungskapazität Irans auf 190 000 Einheiten Urantrennarbeit auszubauen - das entspräche der zehnfachen Zahl an Zentrifugen, die Iran bei Abschluss des Abkommens in Betrieb hatte.

Chamenei hat eine äußerst machtvolle Stellung

Iran werde nicht Sanktionen hinnehmen und zugleich auf sein Nuklearprogramm verzichten, sagte Chamenei weiter. Die Forderung nach der Begrenzung "unseres defensiven Raketenprogramms sind ein Traum, der nie wahr werden wird". Auch werde Iran nicht seinen Einfluss in der Region einschränken, neben dem Raketenprogramm der wichtigste Punkt, in dem auch die Europäer scharfe Kritik an Iran üben, vor allem wegen seiner Rolle in Syrien oder in Jemen.

Chamenei hat im politischen System der Islamischen Republik eine äußerst machtvolle Stellung: Auf Lebenszeit im Amt hat er in allen wichtigen außen- und sicherheitspolitischen Fragen das letzte Wort, aber auch massiven Einfluss auf die Innenpolitik. Er kontrolliert direkt die Justiz, die Geheimdienste, die Staatsmedien und nicht zuletzt die Revolutionsgarden, den schlagkräftigsten Teil des iranischen Militärs, sowie die Bassidsch-Milizen, die etwa 2009 bei der Niederschlagung der Grünen Revolution eine Rolle spielten.

Eigentlich steht der Oberste Rechtsgelehrte über der Tagespolitik und gibt eher indirekt Leitplanken und Richtlinien für die Politik vor - nach Chomeinis Ideologie soll er sicherstellen, dass alle Entscheidungen im Einklang mit islamischen Prinzipien stehen. Die Verhandlungen über den Atomdeal etwa akzeptierte Chamenei, zeigte sich während deren Verlauf aber immer wieder skeptisch und zog rote Linien.

Letztlich stellte er sich hinter Präsident Hassan Rohani, einen pragmatischen Konservativen, und setzte den Deal gegen die Ultrakonservativen und den Widerstand der Revolutionsgarden durch. Zugleich verhinderte er im Anschluss jede weiter Annäherung mit dem Westen oder gar den USA.

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Westliche Diplomaten sprachen von einer "Arbeitsteilung" zwischen Chamenei und Rohani sowie dessen Außenminister Mohammed Dschawad Zarif. Während der Ayatollah in Teheran polterte und Bedingungen stellte, charmierte der weltläufige Zarif in Wien seinen westlichen Verhandlungspartnern - guter Bulle, böser Bulle.

"Die Iraner sind Meister darin, aus der denkbar schlechtesten Verhandlungsposition das Maximum herauszuholen", sagt ein mit dem Dossier befasster hoher europäischer Diplomat. Aber Teheran sei auch klar, dass ein Verstoß gegen das Abkommen oder eine Kündigung zur Folge hätte, dass Europa seine Bemühungen einstellt.

Der Traum davon, den "großen Satan" aus der Region zu werfen

Wirtschaftlich wären die Folgen noch verheerender als die Lage ohnehin schon ist. Die Ölexporte, wichtigste Einnahmequelle des Regimes, würden wegbrechen, wenn auch nicht völlig versiegen, der rapide Verfall der Währung sich weiter beschleunigen. Die Drohkulisse einer Eskalation ist Irans einziges Druckmittel - Chameneis Rede sowie der Brief sollen dem offenbar Glaubwürdigkeit verleihen, Entschlossenheit demonstrieren. Ob Iran im Abkommen bleibt, ist nicht ausgemacht.

Es gibt Kräfte in Teheran, die das Abkommen gerne platzen sehen würden. Sie glauben, dass sich Iran die Chance bietet, unter Trump die USA im Nahen Osten zurückzudrängen - sie träumen davon, den "großen Satan" aus der Region zu werfen. Zudem wollen sie ihren in den vergangenen Jahren erlittenen Machtverlust rückgängig machen.

Vizepräsident Eshagh Dschahangiri warnt, sie versuchten Rohani zu stürzen, dessen zentrales Projekt der Atomdeal ist. Der liberale Kommentator Sadegh Zibakalam sieht in Chameneis Rede bereits den "Todesschuss", für die europäischen Bemühungen. Ob Rohani bleibe oder nicht, sei nicht mehr die zentrale Frage, schreibt er: Iran sei zurück in der Zeit des ehemaligen Präsidenten Ahmadinedschad. Er könnte recht behalten, vor allem wenn Chamenei sich gegen das Abkommen entscheidet.

© SZ vom 06.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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