Europa ächzt nicht unter der Last der Flüchtlinge. 1992 kamen fast doppelt so viele Asylbewerber in Deutschland an wie heute in allen 27 EU-Ländern zusammen. Aber das deutsche Asylabwehrsystem, das die Politik damals etabliert hat, wurde mittlerweile europäisiert. Kern dieser Europäisierung ist das Dublin-System: Flüchtlinge, die trotz aller Grenzkontrollen noch nach Europa kommen, sehen sich einem technokratischen Asylzuständigkeitssystem ausgeliefert. Zuständig ist immer das EU-Land, das die Flüchtlinge als erstes betreten haben, es sind zumeist die Südstaaten, also Griechenland, Italien, Malta. Asylschutz gibt es dort nicht, dafür Flüchtlingsgefängnisse. Wenn mittels der Fingerabdruckkartei "Eurodac" festgestellt wird, dass der Flüchtling, der sich irgendwie nach Kerneuropa durchgeschlagen hat, schon in einem europäischen Erstland gewesen ist, wird er ohne Umstände und Prüfung wieder dorthin abgeschoben. Es sei denn, es findet sich ein gnädiger Richter, der das verhindert.
Das deutsche Recht sieht das eigentlich nicht vor. Dort steht ausdrücklich, dass es keine Eilanträge gibt, dass also ein Gericht den Vollzug der Abschiebung nicht aussetzen kann. Nun verlangt zwar das Grundgesetz, dass "jemand", der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offensteht. Der Flüchtling aber gilt nicht als Jemand, sondern als Nichts. Darum darf man ihn auch künftig jederzeit einsperren.
Jüngst haben die EU-Länder, angeführt von Deutschland, das Asylproblem in die EU-Randstaaten im Süden exportiert, indem sie diese für das Gros aller Asylverfahren für zuständig erklärten. Diese Randstaaten wehrten sich dadurch, dass sie Flüchtlinge nicht schützten, sondern einsperrten. Jetzt importieren die EU-Staaten die von diesen Staaten entwickelten rabiaten Einsperr-Methoden. Europa nennt sich selbst "Raum des Rechts, der Sicherheit und der Freiheit". Für Flüchtlinge gilt das Gegenteil.