Asylpolitik:Gemischte Gefühle

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EVP-Fraktionschef Weber verteidigt die Kanzlerin, die Junge Union fordert eine Obergrenze für Flüchtlinge, die Polizeigewerkschaft sogar den Bau eines Grenzzauns. Es war ein durchwachsenes Wochenenende für Angela Merkel.

Von Robert Roßmann, Berlin

Die wegen ihres Kurses in der Flüchtlingspolitik in Bedrängnis geratene Bundeskanzlerin hat am Sonntag Unterstützung von ungewöhnlicher Seite erhalten. Der designierte CSU-Vize Manfred Weber verteidigte die CDU-Chefin. Er sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der Türkeibesuch der Kanzlerin zeigt, dass nur Angela Merkel die europäische und internationale Autorität und Wertschätzung genießt, um das Flüchtlingsproblem zu bewältigen." Dessen sollten "sich die Unionsparteien bewusst sein", sagte Weber mit Blick auf die vielen Kritiker in CDU und CSU. Weber ist Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament und damit der mächtigste deutsche Unionspolitiker in Brüssel. Die CSU kritisiert die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ansonsten heftig. In den Umfragen ist die Union wegen des Streits erneut gefallen. Sie liegt jetzt nur noch bei 37 Prozent. Im September hatten die Meinungsforschungsinstitute die Union noch zwischen 41 und 42 Prozent gesehen.

EVP-Fraktionschef Weber sagte, "jenseits der vielen Detailfragen" brauche Europa jetzt "eine langfristige Vision im Umgang mit Flüchtlingen". Wenn arme Länder wie Jordanien oder Libanon "Millionen Flüchtlingen Obdach anbieten, dann muss das reiche Europa auch einen Beitrag leisten". Deshalb sollten die Flüchtlinge "mit großzügigen, fest definierten Kontingenten" in Europa temporär Schutz erhalten. Zwingend dafür sei "allerdings eine effektive Kontrolle der Außengrenzen, um die Schlepper zu stoppen". Nicht Schlepper dürften entscheiden, wer nach Europa komme, dies müsse in der Hand der Staaten liegen. Weber sagte, eine faire Lastenverteilung sei in Europa nur dann durchzusetzen, wenn feste Kontingente vereinbart würden. Die bisher skeptischen EU-Partner seien "nicht generell gegen Solidarität, sie wollen jedoch die Größenordnung der Flüchtlinge, die sie aufnehmen sollen, vorher wissen". Wenn nur Quoten, aber keine Kontingente vereinbart würden, wüssten die Staaten nicht, wie viele Flüchtlinge sie maximal aufnehmen sollen.

Altmaier: Mindestens jeder zweite abgelehnte Asylbewerber sollte abgeschoben werden

Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) verteidigte Merkel. Er wies die immer stärker werdenden Forderungen aus seiner Partei, eine Obergrenze für die Flüchtlingszahl zu nennen, vehement zurück. "Niemand kann sich auf Dauer völlig abschotten", sagte Altmaier beim Deutschlandtag der Jungen Union. Die chinesische Mauer habe "genauso wenig funktioniert wie die Mauer, die Erich Honecker und Walter Ulbricht mitten in Deutschland gebaut haben". Deutschland könne "noch so viele Rollen Stacheldraht ausrollen, das wird keine ausreichende Antwort auf diese Herausforderung sein". Der Minister räumte aber ein, dass die Regierung "auf diesen Flüchtlingsstrom nicht vorbereitet" gewesen sei. Außerdem forderte er mehr Konsequenz bei den Abschiebungen. "Lasst uns gemeinsam das Ziel verfolgen, dass wir von denen, die nachweisbar keinen Asylanspruch haben, in Zukunft mindestens 50 Prozent in ganz kurzer Zeit wieder in ihre Länder zurückbringen", sagte Altmaier.

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) warnte auf dem JU-Deutschlandtag vor einer Führungsdebatte in seiner Partei. Mit Blick auf Forderungen einzelner Mitglieder nach einem Rücktritt Merkels sagte Oettinger: "Wenn jetzt noch Deutschland eine Personaldebatte beginnt, haben wir vollends ein Problem." Die EU leide darunter, dass es "kaum mehr stabile Regierungen" gebe. Die große Koalition mit Angela Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei deshalb ein Glücksfall für Europa und ein Hort der Stabilität, der erhalten werden müsse.

Die Junge Union setzte sich trotz aller Appelle vom Kurs Merkels ab. Der Deutschlandtag forderte eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Der Zustrom müsse begrenzt werden, ansonsten würde die Hilfsbereitschaft der Menschen sinken, heißt es in dem Beschluss. Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte sogar den Bau von Zäunen. Der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt sagte der Welt am Sonntag, wenn die Bundesregierung "ernst gemeinte Grenzkontrollen durchführen" wolle, müsse sie "einen Zaun entlang der deutschen Grenze bauen".

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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