Asylpolitik:Essen, waschen, wohnen

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Der Europäische Gerichtshof setzt Mindeststandards für Abschiebungen innerhalb der EU. Die Hürden sind aber sehr hoch: Verboten sind Abschiebungen erst, wenn elementarste Bedürfnisse bedroht sind.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Asylsuchende dürfen nicht in ein anderes EU-Land abgeschoben werden, wenn ihnen dort eine menschenunwürdige Behandlung droht. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in mehreren Urteilen klargestellt, die auf Anfragen deutscher Gerichte zurückgehen. Dem EuGH zufolge gelten für ein solches Abschiebeverbot allerdings sehr hohe Hürden; es greift bei Gefahren für die Gesundheit oder bei drohender Verelendung, also einer Situation, in der man nicht mehr elementarste Bedürfnisse befriedigen könne - wie essen, waschen, wohnen.

Geklagt hatte ein Mann aus Gambia, der von Deutschland nach Italien überstellt werden sollte, das als Land der ersten Einreise für sein Verfahren zuständig war. Ein Versuch, ihn dorthin zurückzuschicken, war 2015 gescheitert, weil er am Tag der geplanten Abschiebung nicht in der Gemeinschaftsunterkunft war. Der Verwaltungsgerichtshof Mannheim fragte beim EuGH an, ob eine Überstellung nach Italien zulässig sei. Nach Berichten der Schweizer Flüchtlingshilfe drohe den Menschen dort ein Leben in Obdachlosigkeit.

Ob damit bereits die Schwelle zur extremen Armut überschritten wäre, ist laut EuGH eine Entscheidung des Einzelfalls. Maßgeblich ist dafür auch, ob der Betroffene besonders verletzlich ist, wie etwa minderjährige Flüchtlinge. Dass in Deutschland die Bedingungen günstiger sind, reicht laut EuGH dagegen noch nicht aus; selbst "große Armut" schütze noch nicht vor einer Rücküberstellung, sofern damit nicht eine "extreme materielle Not" verbunden sei. Grundsätzlich gelte im europäischen Asylsystem nämlich der "Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens". Daher gelte die "Vermutung", dass die Geflüchteten in einem EU-Staat im Einklang mit Menschenrechten und Grundrechtecharta behandelt würden - was freilich "größere Funktionsstörungen" in der Praxis nicht ausschließe.

Trotz der hohen Hürden sieht Constantin Hruschka vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in dem Urteil eine gewisse Verbesserung des Schutzes Betroffener. Bisher sei unklar gewesen, ob die Lebensbedingungen, die jemand in einem anderen EU-Land nach einer Anerkennung als Flüchtling zu erwarten habe, von den Behörden und Gerichten überhaupt in den Blick genommen werden müssten. Viele Gerichte hätten eine solche Prüfung als hypothetisch abgelehnt. "Deshalb ist es eine hilfreiche Klarstellung, dass hier die Menschenwürde im Spiel ist." Relevant sei dies zum Beispiel für Griechenland und Bulgarien, aber dereinst vielleicht auch für Österreich - falls dort die Leistungen für Flüchtlinge tatsächlich unter das Existenzminimum abgesenkt würden.

Der EuGH hat auch in einem weiteren Punkt eine Klarstellung vorgenommen, die für die Praxis wichtig ist. Vereitelt ein Asylsuchender eine Abschiebung, weil er zum Termin nicht in seiner Unterkunft ist, kann er als "flüchtig" eingestuft werden - womit die Frist für seine Überstellung von sechs auf 18 Monate verlängert werden kann.

© SZ vom 20.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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