Asylpolitik:Drehtüren für Deutschland

Lesezeit: 2 min

Rein - und gleich wieder raus: Gibt es für Transitzonen eine rechtliche Grundlage?

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Auf der Suche nach einem starken Signal, das den Zulauf der Asylbewerber eindämmen soll, haben CSU, Bundesinnenministerium und Kanzleramt nun die Transitzonen entdeckt. Man will - so die bisher einigermaßen vage Idee - an der deutschen Grenze eine Art Niemandsland einrichten. Areale, in denen sich die Flüchtlinge aufhalten müssen, bis ihre möglichst rasch vorzunehmenden Verfahren beendet sind, sodass sie umgehend wieder abgeschoben werden können. Die Bundesregierung stellt sich das womöglich als eine Art Drehtür vor, die nur einen Ausgang hat: Dort, wo man reinkam, geht man auch wieder raus.

Vorbild ist das sogenannte Flughafenverfahren: Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten oder ohne gültige Papiere können noch vor der Einreise innerhalb des Flughafens untergebracht und in einem Eilverfahren überprüft werden. Auf die Grenze zu Österreich ließe sich das aus Sicht von Jürgen Bast, Professor für öffentliches Recht an der Universität Gießen, aber nur übertragen, wenn Deutschland eine vollständig befestigte Grenze errichtete - was aber wiederum dem europäischen System der offenen Binnengrenzen widerspräche. Andernfalls hinge das Funktionieren der Transitzonen davon ab, "dass die Flüchtlinge uns den Gefallen tun, sich am vorgesehenen Einreisepunkt vorzustellen".

Zweifelhaft ist aus der Sicht des Professors bereits, ob es überhaupt eine rechtliche Grundlage für solche Transitzonen gäbe. Zwar sind in der EU-Asylrichtlinie tatsächlich "Transitzonen" erwähnt. Die EU-Kommission hat allerdings kürzlich darauf hingewiesen, dass Transitzonen nur für EU-Außengrenzen denkbar seien. Der Wortlaut der Richtlinie sagt dazu nichts, allerdings spricht nach Einschätzung von Bast die gesamte Logik des auf Freizügigkeit angelegten Schengen-Systems gegen deren Zulässigkeit an den EU-Binnengrenzen. Transitzonen, in denen Tausende Flüchtlinge aufgenommen werden sollten, erforderten einen großen baulichen wie personellen Aufwand. Sie seien also naturgemäß auf Dauer angelegt. Der Schengener Grenzkodex erlaube aber nur eine temporäre Rückkehr zu Grenzkontrollen.

Eine Art Transitzone war einst auch Ellis Island, die im Hudson River vor Manhattan gelegene zentrale Sammelstelle für Immigranten. (Foto: Imago)

Wären damit zumindest vorübergehende Transitzonen erlaubt, die man bei Bedarf auf- und wieder abbauen könnte? Nach seinen Buchstaben erlaubt der Schengener Grenzkodex die Wiedereinführung von Kontrollen "unter außergewöhnlichen Umständen", wenn die Sicherheit "ernsthaft bedroht" ist. Die zulässige Dauer ist mehrfach abgestuft, sie beginnt bei 30 Tagen und endet - falls das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährdet ist - bei zwei Jahren. Reinhard Marx, ein angesehener Anwalt für Asylrecht, stellt sich bereits die Frage, ob man Flüchtlinge allein wegen ihrer großen Zahl wirklich als ernsthafte Bedrohung einstufen kann. "Das wäre eine Aufkündigung des Schengen-Systems." Auch Jürgen Bast hält zeitweilige Ausnahmen vom System der offenen Grenzen nur aus Gründen der inneren Sicherheit für zulässig, nicht aber, um Zuwanderung zu drosseln. "Die Binnengrenzen zur Steuerung von Migration einzusetzen, verstieße gegen EU-Recht." Deutsche Verwaltungsgerichte würden das voraussichtlich als rechtswidrig einstufen und entsprechende Verfahren dem Europäischen Gerichtshof vorlegen.

Hinzu kommt die Frage, ob sich in solchen Transitzonen überhaupt rechtsstaatliche Verfahren garantieren lassen. Bereits in den Flughafenverfahren mit einer überschaubaren Zahl von Flüchtlingen beklagen die Anwälte, dass sie unter ungeheuer großem Zeitdruck arbeiten müssen. Auch wenn in den Transitzonen nur die vermeintlich klaren Fälle abgehandelt werden sollen, muss doch gewährleistet sein, dass der individuelle Vortrag des Bewerbers gehört wird. Nur ein Beispiel: Kürzlich hat das Verwaltungsgericht Oldenburg einer Klägerin den Status als Flüchtling zuerkannt - obwohl sie aus dem vermeintlich sicheren Herkunftsstaat Mazedonien kam. Sie konnte nachweisen, dass sie - weil sie sich für die Rechte der Roma eingesetzt hatte - staatlicher Verfolgung ausgesetzt war. "Das Verfahren beweist, dass die sorgfältige Prüfung des Einzelfalls jedes Asylantrags unbedingt erforderlich ist", sagt Thomas Oberhäuser, Asylrechtsexperte beim Deutschen Anwaltverein. Sein Kollege Marx ist überzeugt: An einem allzu kurzen Prozess in solchen Transitzonen würden sich die Gerichte nicht beteiligen.

© SZ vom 13.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: