Asyl-Debatte:"Entlastung erforderlich"

Lesezeit: 3 min

Vizekanzler Gabriel schaltet sich in die aktuelle Debatte ein und plädiert für eine Kontingent-Lösung. Der Zentralrat der Juden löst mit der Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge Irritationen aus.

SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat sich in den aktuellen Streit um die Flüchtlingspolitik eingeschaltet. Gabriel sagte der Süddeutschen Zeitung, Deutschland müsse "viel mehr tun, um staatliche Steuerung und Kontrolle der Flüchtlingsbewegung wiederzugewinnen". Das erwarte "doch jeder Bürger von seinem Staat und seiner Regierung - und zwar zu Recht".

Letztlich sei aber "auch eine Entlastung Deutschlands absolut erforderlich". Gerade weil "wir aber nicht sagen können, hier hat das Grundrecht auf Asyl seine Obergrenze, gerade deshalb brauchen wir neue Initiativen, damit von vorneherein weniger Menschen in Deutschland Asyl beantragen", sagte Gabriel.

Deutschland sollte "in Zukunft Kontingente syrischer Flüchtlinge aufnehmen, wie es das bei anderen Bürgerkriegskonflikten getan hat". Allein die Tatsache, "dass die Menschen wissen, sie können sicher in einem Kontingent nach Deutschland oder Europa kommen", verändere die Lage. "Eine Familie in der Türkei oder im Libanon überlegt sich dann sehr gut, ob sie sich noch kriminellen Schleusern in die Hände gibt und alles verfügbare Geld dafür bezahlt", sagte Gabriel.

Flüchtlinge warten an der mazedonisch-griechischen Grenze darauf, weiterreisen zu dürfen. Die Bundesregierung sucht nach einer europäischen Lösung. (Foto: dpa)

Zuvor hatte sich auch der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter zur Flüchtlingspolitik geäußert. Die Bundesregierung strebe eine gesamteuropäische Übereinkunft und ein Abkommen mit der Türkei für eine Kontingentlösung zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge an, sagte Streiter. Deutschland und die anderen EU-Staaten könnten auf diese Weise eine festgelegte Zahl von Syrern aufnehmen.

Zum Unterschied zwischen der von der CSU geforderten Obergrenze und der Kontingent-Lösung sagte Streiter, die Obergrenze sei eine einseitige nationale Festlegung, das Kontingent eine gesamteuropäische Regelung. Die Bundesregierung möchte "gerne die Zuwanderung europäisch regeln und nicht deutsch". Die Kontingente sollen das individuelle Asylrecht nach dem Grundgesetz aber nicht ersetzen oder beschränken.

Der Zentralrat der Juden löst mit einer Obergrenzen-Forderung Irritationen aus

Unterdessen forderte auch der Zentralrat der Juden eine Begrenzung der Flüchtlingsaufnahme. "Über kurz oder lang werden wir um Obergrenzen nicht herumkommen", sagte Präsident Josef Schuster der Welt. Zur Begründung führte er Probleme bei der Integration an. Wenn es so weitergehe, werde die Vermittlung von Werten immer schwieriger. "Viele der Flüchtlinge fliehen vor dem Terror des Islamischen Staates und wollen in Frieden und Freiheit leben, gleichzeitig aber entstammen sie Kulturen, in denen der Hass auf Juden und die Intoleranz ein fester Bestandteil ist", sagte Schuster. Diese Intoleranz führt Schuster weniger auf den muslimischen Glauben zurück, sondern eher auf die Herkunft zahlreicher Asylsuchender aus dem arabischen Raum. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt nannte es "befremdlich", dass der Zentralrat nun ebenso wie die CSU eine Obergrenze für Flüchtlinge fordere. Auch aus der SPD und der Opposition gab es Kritik am Zentralrat.

1 / 1
(Foto: dpa)

"Wir brauchen neue Initiativen, damit von vornherein weniger Menschen in Deutschland Asyl beantragen", findet SPD-Vorsitzender und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Foto: dpa

Deutschland wird die Flüchtlingskrise nach Ansicht von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) genauso erfolgreich bewältigen wie die europäische Finanz- und Wirtschaftskrise. Viele hätten damals nicht geglaubt, dass die Bundeskanzlerin mit ihrem Satz recht behalten werde: "Wir werden aus der Krise stärker herauskommen, als wir hineingegangen sind." So sei es aber gewesen, sagte Kauder am Montagabend vor Beginn der Sitzung der Unionsfraktion. Jetzt gebe es wieder eine schwierige Situation mit der Zahl der Flüchtlinge. "Auch da bin ich sicher, dass wir dies bewältigen können", sagte Kauder. In der Fraktionssitzung begrüßten die Abgeordneten Merkel mit minutenlangem Beifall. Merkel, die beim CSU-Parteitag noch scharf kritisiert worden war, sagte nach Teilnehmerangaben: "Das ist ein schöner Start in die Woche." CDU und CSU seien nicht dazu da, es sich gegenseitig leicht zu machen. Aber aus dem Grundgedanken der Gemeinschaft müssten den Bürgern angemessene Lösungen für Probleme aufgezeigt werden. Allerdings will nun auch die Junge Union auf dem anstehenden CDU-Parteitag eine Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme durchsetzen. Dazu hat die Nachwuchsorganisation der Unionsparteien einen Antrag eingereicht, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung am Montag berichtete. Der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak sagte zur Begründung, die von Merkel und der Bundesregierung bevorzugten Flüchtlingskontingente seien zwar wünschenswert, deren Durchsetzung aber nicht absehbar. "Deshalb ist die Obergrenze als erster Schritt die logische Konsequenz." Der FAZ zufolge heißt es in dem Antrag, über den der Parteitag Mitte Dezember abstimmen soll, die Herzlichkeit gegenüber Flüchtlingen dürfe nicht zu einem Verlust an realistischer Selbsteinschätzung führen.

© SZ vom 24.11.2015 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: