Panzer in Syriens Städten:"Die Leute werden wie Schafe abgeschlachtet"

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Internet und Telefon funktionieren nicht mehr, es gibt kein Wasser und kein Strom, selbst die Krankenhäuser sind von Panzern umstellt. Nach Berichten von Einwohnern sind allein in den letzten Tagen 250 Menschen getötet worden: In der Stadt Hama im Westen Syriens zeigt sich die ganze Brutalität des Regimes von Präsident Assad. Die internationale Gemeinschaft erhöht zwar zögernd den Druck, doch bisher greifen die Sanktionen kaum.

Sonja Zekri

Der Machtkampf in Syrien spitzt sich zu. Panzer beschießen syrische Städte. Protestierende ziehen auf die Straßen. Am Freitag, dem sechsten Tag der Militäroffensive, dem fünften Tag des Fastenmonats Ramadan, demonstrierten Zehntausende unter Granatenbeschuss gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, in Deraa im Süden, in Homs, nördlich von Damaskus, in Dair as-Sour im Osten, und natürlich in Hama, der derzeitigen Hochburg des Protestes.

Die Stadt Hama ist eine der Hauptsschauplätze des Protests gegen das Assad-Regime. (Foto: dpa)

Im Internet hatten Aktivisten zu Protesten aufgerufen unter dem Motto "Gott ist mit uns. Du auch?" Aber Hama, eine Stadt mit 800.000 Einwohnern und seit der Niederschlagung eines Aufstandes der Muslimbrüder mit Zehntausenden Toten ein Symbol für die Brutalität des Regimes, Hama ist vom Internet abgeschnitten, von Telefon, Mobilfunk, Wasser und Strom. Sogar der Empfang für Satellitentelefone sei gestört, melden Aktivisten und werten die völlige Isolation als Hinweis auf noch größere Härte des Regimes in den nächsten Tagen.

"Die Menschen werden wie Schafe abgeschlachtet", zitieren Agenturen einen Anwohner. Er habe selbst gesehen, wie ein Panzer einen Jungen auf einem Motorrad mit Gemüse im Gepäck überfahren habe. Familien bestatten ihre Toten in Vorgärten, heißt es, da sie fürchten, auf dem Weg zum Friedhof beschossen zu werden. Einige Bewohner sprechen von bis zu 250 Toten in Hama seit Sonntag.

Der Sender Al-Dschasira berichtet unter Berufung auf Augenzeugen, dass inzwischen selbst die Krankenhäuser von Panzern umstellt sind. Tausende Flüchtlinge hätten die Stadt verlassen, einige suchten sogar Zuflucht in den palästinensischen Flüchtlingslagern, so der Sender. In Dair as-Sour, einer Stadt am Euphrat in der Nähe der Grenze zu Irak, soll die Regierung nach Augenzeugenberichten in den vergangenen Tagen Hunderte Panzer und Militärfahrzeuge zusammengezogen haben, insbesondere an der Abzweigung einer Straße nach Damaskus. Bei den Demonstrationen am Freitag wurden mindestens vier Menschen getötet, so Agenturen. Die Angaben sind nicht zu überprüfen, da Damaskus keine ausländischen Journalisten ins Land lässt.

Russland bleibt vorsichtig, die USA erhöhen zögernd den Druck

Die internationale Gemeinschaft schwankt weiter zwischen Kritik und Vorsicht. Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew rief Assad auf, "dringende Reformen" vorzunehmen, sonst erwarte den syrischen Präsidenten ein trauriges Schicksal und Russland werde "ein paar Entscheidungen treffen müssen". Moskau hatte mit China eine schärfere Verurteilung im UN-Sicherheitsrat verhindert. Premierminister Wladimir Putin hatte jüngst russische Interessen in Syrien heruntergespielt: "Syrien unterhält eher besondere Beziehungen zu Frankreich." Russland habe in Syrien weder Militärstützpunkte noch Großprojekte oder milliardenschwere Investitionen. Tatsächlich unterhält Russland eine Marinebasis im syrischen Tartus.

Amerikas Interesse an Syrien, dessen möglicher Zerfall für die Region, auch für Israel und Irak verheerend wäre, dürften allerdings ungleich größer sein. Entsprechend zögernd erhöht Washington den Druck. Zwar sprach Außenministerin Hillary Clinton nun davon, dass Assads Regierung für "2000 Tote" verantwortlich sei. Auch wiederholte sie, der syrische Präsident habe die "Legitimität, das syrische Volk zu regieren", verloren. "Rund um die Uhr" bemühe sich Washington um schärfere Maßnahmen gegen Assad. Zudem hat das US-Finanzministerium das Vermögen der Hamsho International Group eingefroren, der Firma des syrischen Geschäftsmannes Mohammed Hamsho. Dieser trete als Strohmann Maher al-Assads auf, Bruder des Präsidenten und Kommandeur der gefürchteten Vierten Division.

Laut Agenturen kritisieren allerdings syrische Dissidenten und auch einige US-Senatoren, dass diese Maßnahmen das Regime kaum treffen. Gezielte Sanktionen gegen die syrische Energiebranche seien bislang ausgeblieben.

© SZ vom 06.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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