Arcandor-Insolvenz:In der Koalition kracht's

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An der Insolvenz des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor scheidet sich die Koalition: Wirtschaftsminister Guttenberg sieht sich heftiger Kritik von Seiten der SPD ausgesetzt - und versucht, die Wogen zu glätten.

Nach der Insolvenz des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor kommt die Regierungskoalition nicht zur Ruhe. Der CDU-Vizevorsitzende Roland Koch warf der SPD in der Financial Times Deutschland "blindwütige Angriffe" auf Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor. SPD-Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel verteidigte die heftige Kritik der SPD-Sitze an dem Kurs Guttenbergs.

In der Kritik beim Koalitionspartner: Wirtschaftsminister Guttenberg. (Foto: Foto: dpa)

"Die SPD ist offenbar völlig von der Rolle", sagte Koch. "Die Menschen erwarten keine blindwütigen Angriffe auf einen angesehenen Bundeswirtschaftsminister, sondern verlangen zu Recht, dass die Politik ihren Beitrag zur Lösung der Wirtschaftskrise leistet", sagte der hessische Ministerpräsident der FTD. Mehrere Minister der SPD, darunter Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, hatten Guttenberg vorgeworfen, die Insolvenz zum Nachteil der Arcandor-Beschäftigten vorangetrieben zu haben - während Arbeitsminister Scholz (SPD) für Arbeit kämpfe.

SPD-Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfmanager Wasserhövel verteidigte die Angriffe der SPD-Spitze gegen Guttenberg. "Ich finde die Kaltschnäuzigkeit erschreckend, mit der der Wirtschaftsminister über Insolvenzen redet", sagte er der Berliner Zeitung. Guttenberg habe Fehler beim Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen gemacht. "Die Abläufe bei Opel oder Arcandor waren alles andere als professionell. Es ist schon ein starkes Stück, wenn ein Minister meint, dauernd eine Solonummer vorführen zu können. Er gehört zur Regierung und ist dem Gesamtwohl verpflichtet. Nicht den Medien", kritisierte Wasserhövel.

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) verteidigte das Vorgehen des Wirtschaftsministers. Guttenberg habe bei den Gesprächen um eine Opel-Rettung und nun bei Arcandor "einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, in der Krise Kurs zu halten", sagte Kauder der Passauer Neuen Presse.

Mit seiner "klaren ordnungspolitischen Linie" sei Guttenberg "ein wichtiges Pfund für unseren Wahlkampf". Der SPD warf Kauder vor, angesichts der Bundestagswahl im September "wie aus dem Füllhorn" Rettungsversprechen abzugeben, die nicht erfüllbar seien.

FDP-Fraktionsvize Rainer Brüderle kritisierte den Streit in der großen Koalition über die misslungene Rettung des Arcandor-Konzerns. Es dürfe nicht sein, "dass aus jedem Unternehmen in Schwierigkeiten ein Wahlkampfthema gemacht wird", sagte Brüderle der Leipziger Volkszeitung. Kritik übte er vor allem an der SPD, die den Beschäftigten Hoffnung auf Staatshilfe gemacht hatte. Im Interesse der Mitarbeiter in den betroffenen Betrieben sollte die SPD dringend zur Sachlichkeit zurückfinden, sagte Brüderle. Wer aus reinen Wahlkampfzwecken bei Menschen Ängste schüre oder falsche Hoffnungen wecke, handele verantwortungslos.

Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) selbst hatte die SPD am Mittwoch aufgefordert, keinen Wahlkampf auf dem Rücken der Arcandor-Mitarbeiter zu machen. Es gelte nun, gemeinsam für eine Sache zu arbeiten und so viele Arbeitsplätze wie möglich bei dem insolventen Handelsunternehmen zu sichern, sagte Guttenberg nach einem Gespräch mit Arbeitnehmervertretern von Arcandor in Berlin.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versuchte, den Streit in der Koalition zu dämpfen. "Ich kann nur raten, dass man so an die Sache herangeht, dass jeder in der Bundesregierung der Meinung ist, dass wir das Beste tun", sagte sie. Es verstehe sich von selbst, dass es manchmal Diskussionen über unterschiedliche Wege gebe. "Aber ich glaube, dass der eingeschlagene Weg für Arcandor sehr, sehr viele Chancen auch für die Beschäftigten beinhaltet."

Zuvor hatten auch Bauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Arbeitsminister Scholz Guttenberg kritisiert. Tiefensee warf dem Wirtschaftsminister vor, bereits von einem Insolvenzverfahren geredet zu haben, als der Arbeitsminister und andere sich "um die Arbeitsplätze gekümmert" hätten.

Arcandor hatte am Dienstag Insolvenz für den Gesamtkonzern, die Kaufhaustochter Karstadt, die Versandtochter Primondo und den Katalogversender Quelle beantragt. Die Bundesregierung hatte zuvor zwei Anträge auf Staatshilfen abgelehnt und mehr Zugeständnisse von Eigentümern, Banken und den Vermietern der Karstadt-Immobilien gefordert. Dazu sah sich Arcandor jedoch nicht in der Lage. Insgesamt bangen 43.000 Beschäftigte um ihre Stellen.

Die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di, Margret Mönig-Raane, sagte nach dem Gespräch mit Guttenberg, man habe sich auch darüber ausgetauscht, ob eine Insolvenz zwangsläufig gewesen sei. "Ich meine, die Insolvenz wäre nicht nötig gewesen. Die Bundesregierung ist anderer Meinung", sagte sie. Es nutze jetzt nicht viel, darüber zu lamentieren. Vielmehr müsse die Insolvenz nun so gestaltet werden, dass die Beschäftigten in Arbeit blieben.

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