USA:Simon-Wiesenthal-Zentrum nennt Antisemitismusbeauftragten Antisemiten

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Der Zentralrat der Juden in Deutschland findet die Vorwürfe gegenüber Michael Blume "absurd". (Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Die jüdische NGO setzt Deutschland auf seine Antisemiten-Liste. Besonders kritisiert wird Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume. Jüdische Gemeinden sind empört.

Von Lars Langenau

Wenn das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles seine Rangliste der "einflussreichsten Antisemiten" vorstellt, geht das selten ohne Knatsch über die Bühne. 2019 etwa wurde der deutsche UN-Botschafter Christoph Heusgen harsch kritisiert. Auch der Berliner Journalist Jakob Augstein, ehemaliger SZ-Redakteur, Spiegel-Miteigentümer und Herausgeber der Wochenzeitung Der Freitag stand schon wegen seiner Kritik an der israelischen Politik auf dieser Liste.

Auf Platz sieben der aktuellen Liste, die am Dienstag veröffentlich wurde, steht diesmal: "Deutschland". In der Amtszeit von Angela Merkel sei es nicht gelungen, "die antisemitischen Angriffe von rechtsextremer und islamistischer Seite sowie die Dämonisierung Israels von links einzudämmen". So habe die Regierung im Juni "eine erschütternde Zahl antisemitischer Hassverbrechen im Jahr 2020" von insgesamt 2275 Zwischenfällen bestätigt.

Weiter heißt es, der "Gestank des Antisemitismus" habe auch den deutschen Auslandssender Deutsche Welle erreicht. Das Zentrum bezieht sich damit auf eine Recherche der Süddeutschen Zeitung, nach der sich Mitarbeitende der arabischen DW-Redaktion in der Vergangenheit antiisraelisch oder antisemitisch geäußert haben. Der Auslandssender hat inzwischen eine unabhängige externe Untersuchung eingeleitet.

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Im Speziellen wird dort aber auch der baden-württembergische Antisemitismusbeauftragte Michael Blume angegriffen, "der auf Social Media Vergleiche der Nazis mit Israel und dem Zionismus" seine Zustimmung erteilt habe, indem er seit 2019 antijüdische, antiisraelische und konspirative Twitter-Accounts gelikt und Beiträge weiterverbreitet habe. Um welche Posts und Accounts es sich genau handelt, schreibt die Organisation nicht.

Auch hätten es Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Innenminister Thomas Strobl Blume "unerklärlicherweise (...) erlaubt (...), sich weiter an diesen antisemitischen und antiisraelischen Aktivitäten in den sozialen Medien zu beteiligen". Blume habe es zudem versäumt, die Stadt Freiburg dazu aufzurufen, ihre Städtepartnerschaft mit dem iranischen Isfahan zu beenden.

Rückendeckung für Blume von jüdischen Religionsverbänden

Auf die Vorwürfe gegen sie gingen der Grünen-Politiker Kretschmann und CDU-Mann Strobl zunächst nicht ein. Beide aber nahmen Blume in Schutz. "Es gibt keinen Grund, an der Integrität unseres Antisemitismusbeauftragten Michael Blume zu zweifeln", sagte der Ministerpräsident. Die Vorwürfe nannte er "nicht nachvollziehbar und höchst befremdlich". Es sei auch fraglich, ob ein solches Ranking helfe, die gesellschaftliche Spaltung und den Antisemitismus zu überwinden. Ähnlich äußerte sich Strobl. Blume sei ein top-engagierter, herausragender Antisemitismusbeauftragter: "Ich kann mir für diese Aufgabe keine bessere Person vorstellen."

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland nannte die Vorwürfe auf Twitter "absurd". Und die jüdischen Gemeinden in Baden und Baden-Württemberg verurteilen "einhellig den Versuch einer Verunglimpfung" Blumes. Wörtlich heißt es in einer gemeinsamen Erklärung: "Wir kennen Michael Blume bereits seit fast zwei Jahrzehnten als einen außergewöhnlich engagierten und ausgesprochen kompetenten Kämpfer gegen Antisemitismus jeder Form, als einen Freund der jüdischen Gemeinschaft, sowie als einen leidenschaftlichen Brückenbauer nach Israel."

Unterzeichnet ist der Text von der Chefin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Barbara Traub, und ihrem badischen Pendant Rami Suliman. Die Vorwürfe seien "ungeheuerlich": "Wie das Simon Wiesenthal Center - ohne mit den Gemeinden vor Ort überhaupt Kontakt zu suchen - auf die Idee kommt, einen derart ausgewiesenen Freund Israels und der Jewish Community auf eine Liste mit Antisemiten zu setzen, ist uns vollkommen unverständlich." Die fehlende Kommunikation des Zentrums mit den jüdischen Gemeinden sei "ein Affront".

Blume dankt jüdischen Gemeinden

Blume dankte den jüdischen Gemeinden über seinen privaten Twitter-Account "für ganz viel Solidarität". "Die jüdischen Landesgemeinden waren wunderbar klar", schrieb er. Die Kritik an ihm und seiner Arbeit bezeichnete der 45-Jährige als die "bizarren Vorwürfen durch extreme, das Zusammenleben attackierende Akteure". Auch würden einige Vorwürfe "nicht einmal einer oberflächlichen Überprüfung" standhalten, so beispielsweise zu den Facebook-Posts. Denn da habe er seinen Account bereits 2019 geschlossen.

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