Zwei externe Ermittler hatte die Deutsche Welle (DW) berufen, um Antisemitismus-Vorwürfe gegen Mitarbeiter zu untersuchen. Zwei Wochen hatten die ehemalige Bundesjustizministerin und amtierende Antisemitismus-Beauftragte von Nordrhein-Westfalen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der israelisch-deutsche Psychologe dem Ahmad Mansour bislang Zeit, sich mit der Affäre zu befassen, die nach weiteren Enthüllungen immer umfangreicher wurde. Am Freitag dann tagte der Distributionsausschuss des Rundfunkrats von DW zum Thema - die anschließende Pressemitteilung des Senders hielt sich im Vagen. Die Vorsitzende des Ausschusses, Elisabeth Motschmann, sagte, in Bezug auf Israel-Hass und Holocaust-Leugnung "erwarten wir eine Null-Toleranz-Linie", der Vorsitzende des Rundfunkrats, Prälat Karl Jüsten, kündigte eine Sondersitzung seines Gremiums zu den Vorwürfen an. Anscheinend gibt es noch viel zu klären bei der Deutschen Welle.
Eine Recherche der SZ hatte Ende November dokumentiert, dass sich Mitglieder und Mitarbeiter der arabischen Redaktion auf privaten Accounts in sozialen Medien und in Textbeiträgen für andere Medien teils heftig antisemitisch geäußert hatten. Ein Redaktionsmitglied nannte den Holocaust ein "künstliches Produkt", eine Kollegin von ihm hatte in Zusammenhang mit Israel von einem "Krebs" geschrieben, der herausgeschnitten werden müsse. Anders als bei früheren Vorwürfen gegen die Redaktion - in der Vergangenheit hatte es wiederholt Beschwerden über Machtmissbrauch und Vetternwirtschaft, aber auch über ideologische Verzerrungen etwa in der Berichterstattung zum Syrienkrieg gegeben - reagiert die Senderleitung nun schnell: Die betroffenen Mitarbeiter wurden freigestellt, eine externe Untersuchung eingeleitet.
Nach Antisemitismus-Vorwürfen:Vorwürfe gegen Deutsche Welle mehren sich
Der Auslandssender will entschlossen aufklären - aber noch bevor die externen Prüfer loslegen, werden neue Vorwürfe laut. Der Sender distanziert sich, beendet eine Partnerschaft. Doch in der Redaktion brodelt es seit Langem.
Auch bei der Auswahl von Partnersendern hatte DW nicht genau hingesehen
Doch kaum, dass diese begonnen hatte, kamen weitere Vorwürfe gegen den mit 390 Millionen Euro direkt aus Steuermitteln finanzierten Auslandssender ans Licht. So stellte sich die Frage, ob bei DW nicht strukturell etwas schieflaufe: Recherchen von Bild, Welt und Vice zeigten auf, dass die Deutsche Welle bei der Wahl von Partnermedien in der überaus heiklen Region Nahost teils wohl ähnlich oberflächlich hingesehen hat wie bei der Personalrekrutierung. Der jordanische Sender Roya TV hatte teils heftige antisemitische Karikaturen und Inhalte verbreitet, bald wurden ähnliche Vorwürfe gegen einen algerischen, einen libanesischen und einen palästinensischer Sender laut, mit denen DW zusammenarbeitet.
Dass Intendant Peter Limbourg einem der betreffenden Chefredakteure kürzlich einen "Freedom of Speech Award" überreicht hatte, wirkte da unglücklich, ebenso, dass die DW im Fall von Roya TV die Zusammenarbeit erst verteidigte, um sie wenig später auszusetzen. Zudem machten Mitarbeiter des Senders Journalisten auf ebenfalls israelfeindliche Beiträge in der arabischen Ausgabe von Vice aufmerksam - in einer erhitzten Mediendebatte verstanden das nicht wenige als rhetorisches Ablenkungsmanöver, als "Whataboutism".
Limbourg kündigte schließlich dennoch in mehreren Interviews Veränderungen an. "Wir werden unseren Code of Conduct, den Verhaltenskodex, noch einmal schärfen", sagte er etwa der Jüdischen Allgemeinen. "Beim Recruiting werden wir in Zukunft auch noch genauer hinschauen."
Dass die Senderleitung aber ernsthaft gewillt ist, den Ursachen für die aktuelle Krise auf den Grund zu gehen, davon sind an den Redaktionssitzen Berlin und Bonn nicht alle Mitarbeiter überzeugt. "Neben personeller Einzelbetrachtungen müssen die Verantwortlichkeiten auf allen Führungsebenen durchleuchtet werden", hatten etwa in der Gewerkschaft Verdi organisierte Redaktionsmitglieder gefordert und darauf hingewiesen, dass Kritik von Kollegen "nicht mehr als Mangel an Loyalität" verstanden werden dürfe. In der Vergangenheit fühlten sich Mitarbeiter, die intern Missstände angesprochen hatten, nicht selten gemobbt.
Ein grundsätzlicher Kulturwandel scheint auch nach den jüngsten Enthüllungen nicht in Sicht: Auf Krisensitzungen habe die Senderleitung strukturelle Defizite von sich gewiesen, berichten mehrere Mitarbeiter der SZ, leitende Redakteure hätten im Gegenteil einen "internen Schulterschluss" gegen die "unfaire" Kritik von außen gefordert. Einen abschließenden Bericht wollen Leutheusser-Schnarrenberger und Ahmad Mansour Ende Januar vorlegen.