Antiamerikanische Proteste in der islamischen Welt:Angst vor Tagen des Zorns

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Was mit einem islamfeindlichen Video in den USA begann, droht zu einer weltpolitischen Krise zu werden. In Kairo kommt es erneut zu Ausschreitungen vor der US-Botschaft. Auch in anderen muslimischen Ländern wird nach dem Freitagsgebet mit einer neuen Welle der Gewalt gerechnet. Weltweit sind die amerikanischen Vertretungen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Auch an deutschen Vertretungen wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft.

Von "Tagen des Zorns" wurde gesprochen, als Demonstranten im vergangenen Jahr während des Arabischen Frühlings gegen die diktatorischen Machthaber rebellierten. Nun bekommen die USA überall in der muslimischen Welt den Zorn der Menschen zu spüren: Auch an diesem Freitag ebben die Proteste gegen einen Schmäh-Film aus den USA über den Propheten Mohammed nicht ab. Im Jemen und in Ägypten kam es erneut zu Ausschreitungen.

In Kairo bewarfen Demonstranten Polizisten mit Steinen. Die Sicherheitskräfte stellten sich den aufgebrachten Ägyptern in den Weg, um die wie eine Festung bewachte US-Botschaft zu schützen. Sie versuchten, die Demonstranten mit Hilfe von Tränengas zurückzudrängen.

In Jemens Hauptstadt Sanaa bewachten Sicherheitskräfte die Straßen in der Umgebung der US-Botschaft. Nördlich der Auslandsvertretung protestierten Augenzeugen zufolge 20 bis 30 Menschen gegen den in den USA produzierten Film. Die Botschaft selbst rechnete am Tag der Freitagsgebete mit weiteren Demonstrationen.

Schon Donnerstagabend telefonierte US-Präsident Barack Obama nach schweren Ausschreitungen vor der US-Botschaft in Sanaa mit dem jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi. Beide hätten bekräftigt, dass zusätzlicher Schutz für das amerikanische Botschaftspersonal notwendig sei, teilte das Weiße Haus mit. Hadi habe Obama versichert, "alles, was möglich ist," zu tun, um Amerikaner in Jemen zu beschützen.

Die Demonstrationen dürften nach den Freitagsgebeten auch in der übrigen muslimischen Welt einen neuen Höhepunkt erreichen. In Kairo haben Islamisten eine Großkundgebung angekündigt. Sie fordern eine offizielle Entschuldigung Washingtons, da das Schmähvideo in den USA produziert wurde. In Saudi-Arabien, wo Demonstrationen verboten sind, wurde über den Kurznachrichtendienst Twitter ebenfalls zu Protesten vor den US-Vertretungen in Riad und Dschidda aufgerufen. Ein hochrangiger iranischer Religionsführer, Ajatollah Nouri Hamedani, drohte mit "noch harscheren Reaktionen".

In den USA wartet man besorgt. "Wir beobachten die Entwicklungen sehr genau, die zu weiteren Protesten führen könnten. Wir gehen davon aus, dass diese sich fortsetzen werden", sagte ein Sprecher des Weißen Hauses in Washington. Der Freitag sei "traditionell ein Tag von Protesten in der muslimischen Welt".

Angesichts der Proteste wurden die Sicherheitsvorkehrungen an den US-Vertretungen weltweit verschärft. Die USA schickten Medienberichten zufolge neben einer Einheit von Elitesoldaten auch zwei Kriegsschiffe vor die Küste Libyens.

Auch das Auswärtige Amt in Berlin bereitet sich auf mögliche Ausschreitungen vor. "Wir beobachten die Entwicklung der Sicherheitslage mit großer Aufmerksamkeit und haben die Sicherheitsvorkehrungen in einigen Auslandsvertretungen verschärft.", sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes zu SZ.de.

Außenminister Guido Westerwelle hat im ARD-Morgenmagazin zu einer Abkehr von der Gewalt aufgerufen. Er appelliere an die gesamte arabische Welt, zu friedlichen Protesten zurückzukehren. Zugleich distanzierte sich Westerwelle von dem "verabscheuungswürdigen Video", das die Proteste ausgelöst hatte, und betonte, er teile die Empörung über dieses "schreckliche Pamphlet im Internet". Dieses dürfe aber nicht als Vorwand dienen für Gewalt oder die Ermordung von Menschen.

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