Tod des US-Botschafters in Libyen:Mörderisches Spiel der Fanatiker

Ausgerechnet in Bengasi, wo die Rebellen mit US-Fahnen in der Hand den Tod Gaddafis feierten, wird der amerikanische Botschafter getötet. Die Dimension dieser Mordtat weist weit über Libyen hinaus. Sie weckt die alten Geister, die seit dem 11. September 2001 immer nur schlummern. Mit Hass wird neuer Hass gesät - blindwütiger Fanatismus, der besonders gut in den dunklen Winkeln der Weltregionen gären kann.

Stefan Kornelius

Die USA haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um ihr Image in der muslimischen Welt zu verbessern. Präsident Barack Obama hielt im Juni 2009 eine viel beachtete Rede in Kairo, die einen neuen Anfang ermöglichen sollte nach all den Jahren des Terrors und des von George Bush ersonnenen Krieges gegen den Terror.

Tod des US-Botschafters in Libyen: Palästinenser verbrennen aus Protest gegen den islamfeindlichen Film eine US-Flagge in Gaza-Stadt.

Palästinenser verbrennen aus Protest gegen den islamfeindlichen Film eine US-Flagge in Gaza-Stadt.

(Foto: AP)

Die amerikanische Diplomatie strauchelte zwar zu Beginn der arabischen Aufstandsbewegung, als sie von alten Gewissheiten - verkörpert durch Hosni Mubarak - Abschied nehmen musste. Dann aber stand sie, wenn auch widerspenstig und getrieben von europäischen Verbündeten, an der Seite der libyschen Rebellen, mobilisierte gegen den iranischen Druck auf sunnitische Staaten und bemühte sich in Syrien um das politische Ende des Regimes.

Bemerkenswert schlecht sind die Beziehungen zwischen den Regierungen Obama und Netanjahu. Israel als alles bestimmender Faktor in Nahost hat von seiner Bedeutung verloren.

Nun wird diese vorsichtige Rekalibrierung jäh gestört. Ausgerechnet in Bengasi, wo die libysche Auftandsbewegung ihren Ausgang nahm und wo die Rebellen mit US-Fahnen in der Hand den Tod Gaddafis feierten, wurden der amerikanische Botschafter und drei Mitarbeiter getötet. Aber die Dimension dieser Mordtat weist weit über Libyen hinaus. Sie weckt die alten Geister, die seit dem 11. September 2001 immer nur schlummern und jederzeit angerufen werden können: Extremisten und Fanatiker der politischen und religiösen Lager, die Brandstifter und Provokateure, die Hassprediger und Toleranztrampel.

Blindwütiger Fanatismus aus den dunklen Winkeln der Weltregionen

Es ist müßig, hier nach Tätern und Opfern zu unterscheiden. Diesmal ging die Provokation von amerikanischen Extremisten aus, islamistische Fanatiker haben sie angenommen und nicht minder radikal zurückgezahlt.

Wer nun über die Toleranzbereitschaft einer Gesellschaft philosophieren will, die angemessene Antwort der Politik, den Mangel an Sicherheit für das Botschaftspersonal oder die Naivität im Umgang mit Fanatikern, der verkennt den eigentlichen Mechanismus, der hier wirkt.

Extremisten provozieren die gemäßigten Gruppen einer Gesellschaft. Sie polarisieren und schüren Angst und Vorurteile. Mit Hass wird neuer Hass gesät - blindwütiger Fanatismus, der besonders gut in den dunklen Winkeln der Weltregionen gären kann. Jüdische, christliche, muslimische Fanatiker - im Ergebnis richten sie dasselbe Werk der Zerstörung an.

Seit elf Jahren zerbricht sich der gemäßigte Teil der Welt den Kopf darüber, wie man die Fanatiker stoppen kann. Die Antwort: Man kann sie nicht stoppen - man kann sich nur bewusst machen, dass ihre Zerstörung von der Mehrheit nicht gewollt wird. Und dass man ihnen den größten Gefallen tut, wenn man ihr Werk in den Mittelpunkt der Politik rückt, sei es im amerikanischen Wahlkampf oder im Umgang mit der neuen libyschen Regierung. Gerade in den USA gäbe es gute Möglichkeiten, die Radikalen im eigenen Land als Feinde der Freiheit zu isolieren.

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