Anschlag auf Moskauer Flughafen:Bürgersohn und gutes Mädchen

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Witalij und Maria waren junge, unauffällige Russen - und konvertierten zum Islam. Sie könnten am Attentat von Moskau beteiligt gewesen sein.

F. Nienhuysen, Moskau

Braunes Herbstlaub liegt auf dem Boden, ein Wald, vermutlich irgendwo im Norden des Kaukasus. Ein Mann und eine Frau in grün-braunen Camouflage-Jacken, er bärtig und mit Kalaschnikow in der Hand, sie mit schwarzem Kopftuch, ebenfalls eine Kalaschnikow in der Hand. Unter das Bild stellte die Boulevardzeitung Moskowskij Komsomolez noch zwei weitere Fotos, die ganz anders wirken: eines zeigt einen dunkelhaarigen, etwas traurig wirkenden Russen, das andere eine ernst schauende junge hübsche Russin mit glattem Haar.

Wer steckt hinter dem Selbstmordanschlag am Moskauer Flughafen? Die Grenzen in der russischen Terrorszene beginnen, zu verschwimmen. (Foto: action press)

Niemand, der weiter auffallen würde, in Wladiwostok nicht, und auch nicht in Twer, Norilsk, in St. Petersburg oder Moskau. Ob sie beteiligt waren am Anschlag auf den Domodedowo-Flughafen der russischen Hauptstadt, bei dem in der vergangenen Woche 35 Menschen starben, ist noch unklar. Aber nach ihnen wird wegen Terrorverdachts zumindest gesucht: Witalij Rasdobudko und Maria Choroschewa.

Rasdobudko wird in den Medien als "russischer Wahhabit" bezeichnet, ein zum fundamentalistischen Islam übergetretener Mann, der in der Region Stawropol einen Bombenanschlag mitorganisiert haben soll, bei dem im Herbst 30 Menschen verletzt wurden. Er hat offenbar Kontakte zur dagestanischen Untergrundgruppe von Ibrahimchalil Daudow, die seit Montag verdächtigt wird, hinter dem Moskauer Flughafen-Anschlag zu stecken. Wie vieles galt auch dies noch nicht als gesichert, klar aber ist, dass die Grenzen in der russischen Terrorszene zu schmelzen beginnen.

"Ich habe im Leben ein anderes Ziel"

Der 32 Jahre alte Rasdobudko passt gar nicht in das Schema islamistischer Untergrundkämpfer, verhärtet in jahrelangen bewaffneten Konflikten mit russischen Soldaten oder den Truppen des tschetschenischen Oberhaupts Ramsan Kadyrow. Nach einem Bericht von Moskowskij Komsomolez stammt Rasdobudko aus einer bürgerlichen Familie, der Onkel Abgeordneter, der Vater Inhaber eines Geschäfts, ein naher Verwandter sogar Direktor des größten Marktes in der Stadt Pjatigorsk.

Und seine Frau Maria Choroschewa wird in der Erinnerung von Nachbarn als "gutes Mädchen" beschrieben, "mit heller Haut und hellen Augen - ganz die Mama". Karriere in der Pharmaziebranche sollte sie machen, stattdessen zog sie sich angeblich immer mehr zurück, seit sie Rasdobudko kennenlernte und heiratete.

Beiden war im Alltag offenbar langweilig geworden, schrieben die russischen Zeitungen. Sie schlossen sich - wann und warum genau auch immer - dem Islam an. Choroschewa sei im Ort mit einem schwarzen Kopftuch spazieren gegangen, irgendwann verschwand sie. Rasdobudko habe sich ebenfalls verändert, "irgendwie nebelig" sei sein Blick geworden, erzählten Bekannte einem russischen Reporter. Und als ihn jemand fragte, "willst du nicht deinen alten Schiguli endlich abgeben und gegen ein ausländisches Auto eintauschen", da soll er gesagt haben, "ich habe im Leben ein anderes Ziel. Etwas Großes. Das verstehen Sie nicht."

Zusammenhänge mit anderen Terroranschlägen

Zeitweilig soll das Ehepaar gemeinsam mit Sejnap Sujunowa zusammengewohnt haben, einer 24 Jahre alten Frau, die Anfang Januar von russischen Sicherheitskräften verhaftet wurde. Sie plante gemeinsam mit einer anderen Frau zwei Selbstmordanschläge in Moskau, unter anderem auf dem belebten Manege-Platz, direkt neben dem Kreml. Doch am Silvestertag zündete der Sprengstoff bei ihrer Mittäterin vorzeitig. Sie starb, und Sujunowa setzte sich nach Wolgograd ab, wo sie ein paar Tage später gefasst wurde.

In den Verhören gab sie an, dass sie zusammen mit ihrer Tochter von Rasdobudko nach Dagestan gebracht worden sei, wo man sie unter erheblichen Druck gesetzt habe und zu einem Selbstmordanschlag drängen wollte. Als sie ablehnte, hätten zwei Männer ihre Tochter entführt und damit gedroht, diese zu töten. Also habe sie eingewilligt.

Laut russischen Ermittlern haben der Anschlag auf den Flughafen Domodedowo, den ein 20-jähriger Nordkaukasier ausgeführt hat, und die gescheiterten Selbstmordattentate der beiden Frauen miteinander nichts zu tun. Aber die am Montag durchgesickerten Informationen widersprechen dem. In beiden Fällen gehört zumindest Witalij Rasdobudko zum großen Kreis der Verdächtigen. Und der dagestanische Untergrundkämpfer Daudow scheint im Hintergrund auch eine zentrale Rolle zu spielen. Seine Beteiligung an dem Flughafenanschlag werde überprüft. Und verheiratet war er mit jener Frau, die im Moskauer Raum starb, als ihre Bombe vorzeitig explodierte.

"Der Terroranschlag von Domodedowo - wohin die Spuren führen", nannte eine Nachrichtenagentur ihren Titel zu den Hintergründen der Tat. Noch verriet er einige Ansätze, aber keine Gewissheit.

© SZ vom 01.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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