Annegret Kramp-Karrenbauer:Diesseits von Afrika

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Die 38 Grad Celsius fühlen sich an wie 83: Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Bundeswehrsoldaten in Nigers Hauptstadt Niamey. (Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)

Die Verteidigungsministerin fliegt nach Mali und Niger. Von der Innenpolitik abzulenken, gelingt ihr kaum. In der Sahelzone trifft die CDU-Chefin sogar auf eine gewisse CSU.

Von Boris Herrmann, Bamako

Wer auf so stetig sinkende Umfragewerte wie Annegret Kramp-Karrenbauer blickt, dem ist ein wenig Abwechslung vom Berliner Betrieb zu gönnen: Einfach mal in eine Regierungsmaschine setzen und sich im Glanz einer Auslandsreise sonnen (ohne von der Kanzlerin aus Platzgründen ausgeladen zu werden) - das klingt simpel. Aber Kramp-Karrenbauer wollte das bislang nicht so recht gelingen, obwohl es in ihrem Zuständigkeitsbereich als Verteidigungsministerin keineswegs an öffentlichkeitswirksamen Reisezielen mangelt. Jetzt also der nächste Versuch, in Afrika.

Niger, das ärmste Land der Welt, und Mali, ein von Terrorismus geplagtes Pulverfass, stehen auf dem Programm der Ministerin. Sie besucht ihre Truppen in der Sahelzone - dort, wo die Fluchtursachen bekämpft werden sollen. Als Kramp-Karrenbauer in der nigrischen Hauptstadt Niamey landet, herrschen angeblich 38 Grad. Gefühlt sind es eher 83. Auf dem Weg zur Residenz von Premierminister Brigi Rafini rauscht die Kolonne mit Blaulicht an einer staunenden Rinderherde vorbei. Vor dem Eingang zur Kaserne muss der einheimische Fahrer eines deutschen Delegationsfahrzeugs dann erst einmal die Reifen wechseln. Er hat das voll besetzte Auto versehentlich über jene Nagelbretter gesteuert, die eigentlich motorisierte Terroristen abhalten sollen. Als Wagenheber benutzt der Mann einen großen Stein.

Sie ist 4500 Kilometer geflogen, um am Ende doch wieder über Innenpolitik zu reden

Eigentlich ist es die perfekte Reise für Kramp-Karrenbauer: Mal für kurze Zeit nicht an die lästigen Debatten in der Union denken, weder an Jens Spahn noch an die Kanzlerkandidatur oder an Seehofers Seenotrettungsstreit - wo bitte sollte das klappen, wenn nicht hier in Niamey?

Im Kasernencafé "Allemagne" hält Oberstleutnant Zecher eine Art Einführungsvorlesung zum Einsatz in der Sahelzone. Für die Ministerin ist das schließlich alles Neuland. Zecher spricht über die drei Standorte der deutschen Mission, vom Hauptquartier in Malis Hauptstadt Bamako, vom Feldlager im nordmalischen Gao, vom Logistikzentrum im verhältnismäßig stabilen Nachbarstaat Niger. Kramp-Karrenbauer hört aufmerksam zu, stellt inhaltliche Nachfragen und lässt sich am eigenen Arm vorführen, wie man die Blutung eines verletzten Soldaten abbindet. Sie scheint es zu genießen. Doch dann wird die zweite Seite von Zechers Powerpoint-Präsentation an die Wand geworfen. Und darauf steht klar und deutlich: "CSU". Es ist wie verhext. Im Publikum wird gekichert.

Der Oberstleutnant sagt, die Abkürzung CSU stehe hier im Camp natürlich für "Casualty Staging Unit". Damit ist ein Feldlazarett gemeint. Das hält mitgereiste Reporter aber nicht davon ab, das Gespräch wenig später auf Horst Seehofer zu lenken. Kramp-Karrenbauer ist 4500 Kilometer geflogen, nur um am Ende doch wieder über Innenpolitik zu sprechen. Nein, sie könne in der Frage der Seenotrettung kein Zerwürfnis zwischen dem CDU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus und dem CSU-Innenminister Seehofer erkennen. "Ich sehe überhaupt keinen großen Unterschied zwischen dem, was da diskutiert wird", sagt sie. Gedanklich ist sie da definitiv schon wieder diesseits von Afrika unterwegs.

Apropos Afrika, da war doch was. Richtig, da war Jens Spahn gerade. Der Gesundheitsminister scheint ja überhaupt überall gleichzeitig zu sein: Kosovo, USA, Mexiko, Äthiopien, Ruanda, Kongo, Nigeria. Und nicht nur die Kanzlerin findet: "Der schafft was weg." Für Spahn sind das auch Werbetrips - in eigener Sache. Seine Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur versteckt er nur noch sehr unzulänglich. Zweimal hat er zuletzt gegen Kramp-Karrenbauer den Kürzeren gezogen, in der Abstimmung um den CDU-Vorsitz und bei der Neubesetzung des Verteidigungsressorts. Aber in seiner selbsterfundenen Rolle als Gesundheitsaußenminister scheinen sich diese Niederlagen gerade in süße Siege zu verwandeln. Dass nun der Eindruck entsteht, Kramp-Karrenbauer sei ihm quasi hinterhergereist nach Afrika, darf man getrost als taktisches Geschick verbuchen. Spahn ist mal wieder einen Schritt schneller und stibitzt der Parteichefin das ersehnte Rampenlicht.

Die Junge Union fordert, in einer Urwahl über die K-Frage abzustimmen

Laut Umfragen hätte ihre Kanzlerkandidatur derzeit nicht einmal bei Anhängern der eigenen Partei eine Mehrheit. Dazu passt, dass Teile der Jungen Union fordern, über die K-Frage künftig in einer Urwahl abstimmen zu lassen. Das wäre ein klarer Bruch mit der Tradition, diese Frage einvernehmlich in Gesprächen zwischen CDU und CSU zu klären.

Ein enormer Druck lastet also auf Kramp-Karrenbauer, und es ist sicher nicht leicht, sich davon ausgerechnet im hochexplosiven Mali abzulenken. Aber sie versucht es. Sie teilt den angetretenen Soldaten mit: "Für mich ist das besonders spannend hier, weil ich zum ersten Mal in der Region bin."

Um das erste Mal geht es auch im unionsinternen Reisewettrennen. Spahn soll ursprünglich versucht haben, auf seiner Afrikatour auch in Mali Station zu machen, dann hätte er die deutschen Truppen wohl wenige Tage vor der eigentlichen Dienstherrin begrüßt. Laut Bild hat Kramp-Karrenbauer das verhindert. Das Verteidigungsministerium dementiert den Bericht. Ein Soldat in Mali sagt, es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, dass die Verteidigungsministerin hier den Antrittsbesuch mache. Aber die Selbstverständlichkeiten rings um Kramp-Karrenbauer scheinen sich rapide aufzulösen.

© SZ vom 08.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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